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2019-03-05


Ausgewählte Urteile im Volltext oder in Auszuegen:

L Urteil des SG Halle (Saale ) zur Frage, der Zulässigkeit der Erhebung
    eines Beitrages nach Art. 17 § 2 des 2. GKV-NOG, dem berühmten
    "Krankenhausnotopfer".

SG Halle, 2 KR 46/98 vom 21.07.1999; Erstveröffentlichung hier!

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Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Zahlung des sogenannten "Krankenhausnotopfers".

Der Kläger ist bei der Beklagten .... krankenversichert. Zusammen mit dem Mitgliedsheft 6/97, das bei dem Kläger im Dezember 1997 einging, forderte die Beklagte ihn auf, 20,-- DM als sogenanntes Krankenhausnotopfer zu zahlen. ........
Mit Schreiben vom 19.12.1997 wandte sich der Kläger gegen diesen Bescheid und erhob Widerspruch mit der Begründung, daß die Rechtsgrundlage der Erhebung dieses Beitrages verfassungswidrig sei. Es handle sich um ein Sonderopfer der sozial schwächer gestellten Menschen. Es sei nicht einzusehen, daß nur die in der Krankenversicherung pflichtversicherten Mitglieder diesen Beitrag zahlen sollen, während privatversicherte Personen oder Beamte ihn nicht zu entrichten hätten, obwohl diese nicht weniger oft ein Krankenhaus aufsuchen müßten. Daher verstoße die Erhebung dieses Beitrages gegen Art. 3 Grundgesetz und das Sozialstaatsgebot.

.......

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 3.7.1998 zurückgewiesen. Zur Begründung führte die Beklagte aus, daß die in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversicherten Mitglieder 20,-- DM entsprechend der gesetzlichen Grundlage als Krankenhausnotopfer zu entrichten hätten.

Nach Erhalt des Widerspruchsbescheids hat der Kläger den Betrag auf ein Konto der Beklagten eingezahlt.

Mit der am 7.7.1998 zum Sozialgericht Halle erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zur Begründung trägt er vor, daß die Erhebung des Krankenhausnotopfers schon unverhältnismäßig sei, da die Kosten für den Beitragseinzug in keinem Verhältnis zu dessen Ertrag stünden. Die Erhebung des Krankenhausnotopfers nur von ... Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung verstoße auch gegen den Gleichheitsgrundsatz, .....

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Entscheidungsgründe:
 

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der angefochtene Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3.7.1998 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht im Sinne von § 54 II 1 SGG, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Rückerstattung des als Krankenhausnotopfer bezeichneten Beitrages in Höhe von 20,-- DM gegen die Beklagte.

Nach § 26 II SGB IV sind zu Unrecht entrichtete Beiträge zu erstatten. Die Entrichtung des sogenannten Krankenhausnotopfers  durch den Kläger an die Beklagte erfolgte jedoch zu Recht.

Gemäß Art. 17 § 2 ..... 2. GKV-NOG vom 23.6.1997 (...) haben die Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen in der Jahren 1997, 1998 und 1999 einen zusätzlichen Beitrag in Höhe von jährlich 20,-- DM selbst zu tragen. Die näheren Ausgestaltungen wurden in den Satzungen der jeweiligen Krankenkassen geregelt. Nach § 23a I der Satzung der Beklagten wurde dieser Beitrag von den Mitgliedern erhoben.

Von der Beitragserhebung, die im übrigen für die Jahre 1998 und 1999 ausgesetzt worden ist, waren damit sämtliche Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung betroffen. Der Beitragserhebung unterlagen daher auch diejenigen Mitglieder, die ............ freiwillig versichert waren. Ausgeschlossen von der Beitragserhebung waren lediglich die versicherten in Bayern, da dieses Bundesland von der Regelung des Art. 17 § 2 Satz 2 2. GKV-NOG Gebrauch gemacht hat.

Aufgrund dieser gesetzlichen Regelung war der Kläger daher verpflichtet, 20,-- DM als sogenanntes Krankenhausnotopfer an die Beklagte zu entrichten, so daß eine Beitragserstattung nach § 26 SGB VI ausgeschlossen ist.

Der Rechtsstreit war auch nicht auszusetzen, um ihn gemäß Art. 100 GG dem BVerfG mit der Frage vorzulegen, ob Art. 17 § 2 GKV-NOG verfassungsgemäß ist. Für eine derartige Vorlage wäre nämlich erforderlich, daß das erkennende Gericht von der Verfassungswidrigkeit dieser Norm überzeugt ist. Eine derartige Überzeugung hat sich bei dem Gericht nicht bilden können.
Von der Beitragserhebung waren, wie bereits ausgeführt, die Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung betroffen. Alle übrigen Personen, die kein Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse sind, mußten diesen Betrag nicht zahlen. Hierin ist jedoch keine grundrechtswidrige Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 GG zu sehen. Der Gesetzgeber hat zulässigerweise zwischen der Gruppe der in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Personen und denjenigen unterschieden, die dort nicht Mitglied sind. Der Kreis der Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung ergibt sich aus den §§ 5, 9 und 10 SGB V. Im wesentlichen handelt es sich hierbei um versicherungspflichtig Beschäftigte sowie die freiwillig versicherten Mitglieder. Entgegen der Ansicht des Klägers gehören daher nicht nur die sozial Schwächsten zu demjenigen Personenkreis, der dem Krankenhausnotopfer unterlag, sondern auch diejenigen Mitglieder, die .......... sich freiwillig versichert haben. .............
Der Gesetzgeber durfte zulässigerweise das Unterscheidungsmerkmal Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung und Nichtmitglied dieser Personengruppe zur Frage der Abgrenzung der Beitragserhebung für das Krankenhausnotopfer heranziehen. Wenn man,wie der Kläger, darauf abstellt, daß von Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung im wesentlichen die beitragspflichtigen Beschäftigten und von den Nichtmitgliedern im wesentlichen die "Besserverdienenden" und Beamten betroffen sind, beruht die Differenzierung auf dem Grundgedanken des Systems der Sozialversicherung, daß nur ein bestimmter Personenkreis in ihr aufgenommen werden soll. Diese Differnzierung liegt sämtlichen Systemen der Sozialversicherung in Deutschland seit ihrer Einführung zugrunde. Warum diese Differnzierung gerade hinsichtlich des Beitrages für die Finanzierung der Inverstitionen in den Krankenhäusern nicht gelten soll, ist nicht ersichtlich. Es steht nämlich auch nicht fest, daß die privat Krankenversicherten keinen Beitrag zu der Finanzierung von Investitionen in den Krankenhäusern leisten. Das System der Krankenversicherung für diesen Personenkreis ist grundsätzlich anders geregelt als in der gesetzlichen Krankenversicherung ...(wird ausgeführt )....
Zusammenfassend läßt sich daher feststellen, daß die Differenzierung zwischen Mitgliedern und Nichtmitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung zulässigerweise vom Gesetzgeber gewählt wurde.
 

Für eine nicht zu rechtfertigende oder unangemessene Ungleichbehandlung zwischen diesen beiden Personengruppen konnte das Gericht keinen Anhaltspunkt finden. Wie bereits ausgeführt, beruht die Differenzierung auf dem hergebrachten System der sozialen Absicherung in Deutschland. Beiträge, die unabhängig von dem einzelnen Risiko erhoben werden, kennzeichnen seit jeher das System der gesetzlichen Sozialversicherung. Eine unverhältnismäßige Belastung dieser Personengruppe gegenüber Nichtmitgliedern der Krankenversicherung kann auch nicht darin erblickt werden, daß die Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung einen festen Betrag in Höhe von 20,-- DM für das Jahr 1997 zu entrichten hatten, wohingegen die Nichtmitglieder, soweit sie privat gegen das Risiko Krankheit versichert sind, über ihre Beiträge einen "versteckten" Beitrag zu entrichten hatten. Ob dieser auch 20,-- DM betragen hat, brauchte das Gericht nicht zu ermitteln. Die einzige Personengruppe, die keinen Beitrag zu entrichten hatte, war diejenige, die überhaupt nicht gegen das Risiko Krankheit versichert ist. Ob es sich dabei um eine zahlenmäßig relevante Personengruppe handelt, ist dem Gericht nicht bekannt, es steht jedoch zu vermuten, daß dies nicht der Fall sein wird.
Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung i.S.d. Art. 3 GG ist daher durch die Beitragserhebung nach Art. 17 § 2 2. GKV-NOG nicht zu sehen.

Auch einen Verstoß gegen das Sozialstaatsprinzip, das aus Art. 20 GG folgt, konnte das Gericht nicht erkennen. Es ist nämlich nicht so, wie der Kläger ausführt, daß nur die sozial Schwächsten von der Beitragserhebung betroffen sind.  .....(wird ausgeführt)....

Eine Ungleichbehandlung könnte darin gesehen werden, daß Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung im "Freistaat" Bayern von der Beitragserhebung aufgrund der Sonderregelung ausgenommen waren. Aber auch unter diesem Gesichtspunkt konnte das erkennende Gericht nicht die Überzeugung gewinnen, daß hieraus die Verfassungswidrigkeit der .... Norm folgt, ....

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Berufung war nach § 144 II Nr. 1 SGG zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.



Anmerkung: Gegen dieses Urteil wurde beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt, die mit Schriftsatz vom 8. April zurückgezogen wurde, da das BVerfG zwei Verfassungsbeschwerden zum "Krankenhausnotopfer", die von dritter Seite erhoben worden sind mit Kammerbeschuss vom 13. März nicht zur Entscheidung annahm.
siehe hierzu auf die Homepage des BVerfG
BvR 1942/99 und 1 BvR 1995/99 (NJW 2001, 1783)
vergl. auch die Entscheidung des BSG vom 23. September 1999, NJW 2000, 3447


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