Stand: 2019-01-06
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N
Zur Frage, ob Kreditinstitute von ihren Kunden Entgelte
für die Bearbeitung von Pfändungen aufgrund von
AGBen beanspruchen können.
BGH, Urt. v. 18.5.1999; XI ZR 219/98 (vergl. BGH v.19.10.99 XI ZR 8/99
NJW 2000, 651)
(ausführlicher in Rpfleger 99, 452)
Tatbestand:
Der klagende Verbraucherschutzverein hat nach seiner Satzung die Aufgabe, die Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung wahrzunehmen. Die beklagte Sparkasse verwendet gegenüber ihren Kunden Allgemeine Geschäftsbedingungen, die ....... u.a. folgende Klauseln enthalten:
"Bearbeitung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen:
30,00 DM pro Pfändung, einmalige Belastung kurzfristig nach Eingang
des Pfändungs- und Übeweisungsbeschlusses
anschließende Überwachung pro angefangene 30 Kalendertage:
20,00 DM, erstmals nach Ablauf der ersten 30 Kalendertage zu belasten"
Gegen diese Klausel wendet sich der Kläger mit der Unterlassungsklage
aus § 13 AGBG. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben ( vergleiche
die Urteilsabdrucke in VuR 97, 427 und WM 98, 2013 ). Mit der
Revision verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter.
Die Revision ist unbegründet.
I. Das Berufungsgericht
hat der Unterlassungsklage im wesentlichen mit folgender Begründung
stattgegeben:
Die angegriffenen Klauseln enthielten Preisnebenabreden. Sie legten nicht Preise für Haupt- oder
Nebenleistungen für den Kontoinhaber fest, sondern Entgelte für Tätigkeiten, die die
Beklagte auf Verlangen von Pfändungsgläubigern des Kontoinhabers vornehme. ...... Nach dispositiven
Recht könne die Beklagte für die Bearbeitung und Überwachung von Pfändungs- und
Überweisungsbeschlüssen von ihren Kunden keine Gebühren verlangen. .........
Der danach eröffneten Inhaltskontrolle hielten die Preisklauseln nicht stand, da sie mit
wesentlichen Grundgedanken der Rechtsordnung nicht verinbart seien ... (wird ausgeführt)
II. Diese Beurteilung
hält der rechtlichen Nachprüfung in vollem Umfange stand.
1.
Die Ansicht der Revision, die angegriffenen
Preisklauseln unterlägen nicht der Inhaltskontrolle, weil weder §
840 ZPO noch anderen Rechtsvorschriften zu entnehmen sei, daß der
Drittschuldner die mit der Bearbeitung und Überwachung von Pfändungsmaßnahmen
verbundenen Arbeiten unentgeltlich zu erbringen habe, ist schon im Ansatz
verfehlt. Auch Klauseln, die gesetzliche Bestimmungen ergänzen, sind
kontrollfähig.
a) Nach § 8 AGBG unterliegen
Klauseln, die von Rechtsvorschriften abweichen oder diese ergänzen,
der Inhaltskontrolle nach §§ 9 bis 11 AGBG. Auch nach Art. 4
II der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5.4.93 über mißbräuchliche
Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. L 95 vom 21.4.93 S. 29
ff) bleiben nur die den Gegenstand des Vertrages betreffenden Klauseln
und das Preis-Leistungsverhältnis grundsätzlich kontrollfrei.
Dies ist die Konsequenz aus dem im Bürgerlichen Recht geltenden Grundsatz
der Vertragsfreiheit. Dieser umfaßt auch das Recht der Parteien,
den Preis für eine Ware oder eine Dienstleistung frei bestimmen zu
können. Preisvereinbarungen ..... unterliegen
daher grundsätzlich nicht der Inhaltskontrolle.
Indes führt die bloße
Einstellung einer Klausel in ein Regelwerk, das Preise für Einzelleistungen
bei der Vertragsabwicklung festlegt, entgegen einer in der Literatur vertretenen
Mindermeinung (Horn WM 1997, Sonderbeil. Nr. 1 S. 12; Früh
WM 98, 63 ) noch nicht dazu, die Klausel ohne weiteres der Inhaltskontrolle
zu entziehen. Der klare Wortlaut des § 8 AGBG verlangt auch dann eine
Prüfung, ob die Klausel lediglich deklaratorische Wirkung hat oder
ob sie Rechtsvorschriften ändert oder ergänzt, indem sie etwa
ein Entgelt festlegt, obwohl eine Leistung für den Vertragspartner
nicht erbracht wird. Der Begriff der Leistung steht nicht zur Disposition
des Verwenders von Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Nach ständiger
Rechtsprechung des BGH unterliegen deshalb Abreden mit (mittelbaren) Auswirkungen
auf Preis und Leistung, an deren Stelle bei Fehlen einer wirksamen vertraglichen
Regelung dispositives Gesetzesrecht stehen kann, der Inhaltskontrolle nach
§§ 9 bis 11 AGBG (BGHZ 91, 316, 318; 93, 358, 360; 95, 362, 370
......)
b) Um solche
zumindest - etwas mißverständlich - als Preisnebenabreden
bezeichneten Abreden handelt es sich hier bei den beiden streitigen Klauseln.
Ein Anspruch des Drittschuldners auf eine Vergütung für die Bearbeitung
von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen sowie die anschließenden
Überwachung der Pfändungsmaßnahme ist im Gesetz nicht vorgesehen.
aa) §
840 I ZPO regelt nur die Erklärungspflicht des Drittschuldners, schweigt
aber, wie auch die Revision nicht in Zweifel zieht, zur Frage der Kostenerstattung
(...). § 788 ZPO gilt nur im Verhältnis zwischen Gläubiger
und Schuldner, gewährt dem Drittschuldner aber keinen unmittelbaren
Kostenerstattungsanspruch gegen den Schuldner (BGH v. 13.12.84 -IX ZR 88,
84, WM 85, 238, 240).
bb) Ein
Vergütungsanspruch des Drittschuldners gegen den Schuldner läßt
sich entgegen der Ansicht der Revision auch aus den Vorschriften der Geschäftsführung
ohne Auftrag (§§677, 670 BGB) nicht herleiten. .........
cc) Anders,
als die Beklagte meint, steht dem Drittschuldner wegen der Pfändungsmaßnahme
auch kein Schadenserstzanspruch wegen positiver Vertragsverletzung gegen
den Schuldner zu. Es gibt keine aus dem Giroverhältnis folgende
(Neben)pflicht des Kunden, es nicht zu einer Kontenpfändung kommen
zu lassen. Die Ausführungen der Revision zur Drittschadensliquidation
liegen auch deshalb neben der Sache, weil von einer Schadensverlagerung
keine Rede sein kann.
Überdies
ist die in den beanstandeten Klauseln vorgesehene Vergütungspflicht
unabhängig davon, ob die Pfändung berechtigt ist oder nicht,
ob den Kontoinhaber ein Verschulden trifft oder nicht, ob und in welcher
Höhe der Beklagten durch die Kontenpfändung ein Schaden entstanden
ist. Selbst der Nachweis, daß sie keinen oder einen wesentlich niedrigeren
Schaden als 30 DM pro Pfändung und DM 20 pro Monat für deren
Überwachung erlitten hat, wird dem Kunden durch die Festsetzung bestimmter
Preise abgeschnitten (§ 11 Nr. 5b AGBG).
c) Es steht
daher außer Frage, daß die beanstandeten Klauseln Rechtsvorschriften
zumindest ergänzen und die Inhaltskontrolle deshalb eröffnet
ist (§ 8 AGBG). In Rechtsprechung und Literatur besteht dementsprechend
nahezu Einigkeit daüber, daß Klauseln, in denen für die
Bearbeitung und Überwachung von Pfändungen ein Entgelt festgelegt
wird, der Inhaltskontrolle nach §§ 9 bis 11 AGBG unterliegen
(OLG Köln WM 99, 633, 637; LG Nürnberg-Fürth WM 96, 1624;
LG Düsseldorf ZIP 97, 1916; Derleder/Metz ZIP 96, 612,
627; Klaas EWiR 97, 1011; a.A. wohl Rößler BB 99,
12, 128).
2.
Anders als die Revision meint, ist die
Berechnung eines Entgelts für die Bearbeitung eines Pfändungs-
und Überweisungsbeschlusses und eines weiteren für die anschließende
Überwachung der Pfändungsmaßnahme mit wesentlichen Grundsätzen
der gesetzlichen Regelung nicht vereinbar (§9 II Nr. 1 AGBG) und benachteiligt
die Kunden der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen
( § 9 I AGBG).
a) Zu den
wesentlichen Grundgedanken auch des dispositiven Rechts gehört, daß
jeder Rechtsunterworfene seine gesetzlichen Verpflichtungen zu erfüllen
hat, ohne dafür ein gesondertes Entgelt verlangen zu können.
..... (wird ausgeführt ) .....
aa) Durch
die Bearbeitung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
erbringt der Drittschuldner entgegen der Ansicht der Revision keine
(Sonder)Dienstleistung für den Schuldner auf rechtsgeschäftlicher
Grundlage, sondern handelt vorrangig im eigenen Interesse zur Erfüllung
einer eigenen gesetzlichen Verpflichtung.
(1) § 840 I ZPO begründet
für den Drittschuldner die Pflicht, dem Gläubiger auf Verlangen
binnen zwei Wochen nach Zustellung des Pfändungsbeschlusses insbesondere
zu erklären, ob und inwieweit er die gepfändete Forderung als
begründet anerkenne und Zahlung zu leisten bereit sei. Die Erfüllung
dieser vollstreckungsrechtlichen Auskunftspflicht , ............., ist
eine vom Gesetzgeber aus der allgemeine Zeugnispflicht abgeleitete staatsbürgerliche
Pflicht, die der Gewährleistung einer im Interesse der Allgemeinheit
liegenden funktionstüchtigen Forderungsvollstreckung dient (vergl.
Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen 2. Aufl. 2.
Band. 1. Abt. S. 450; BVerwG Rpfleger 95, 261 ....). Ihre Verletzung führt
nach § 840 II S. 2 ZPO zu einem Schadensersatzanspruch des Gläubigers.
(2) Die Erfüllung dieser
Pflicht stellt keine Dienstleistung für den Vollstreckungsschuldner
dar. Nicht er, sondern der Vollstreckungsgläubiger hat um Abgabe der
Drittschuldnererklärung gebeten. Der Schuldner hat durch die Drittschuldnererklärung
auch keine Vorteile, insbesondere bleibt er trotz der Drittschuldnererklärung
nach § 836 III ZPO weiterhin verpflichtet, dem Gläubiger der
Geltendmachung der gepfändeten Forderung nötigen Auskünfte
zu erteilen und die über die Forderung vorhandenen Urkunden herauszugeben
(MünchKommZPO-Smid § 836 Rdn. 17). ....................
Auch die für die Drittschuldnererklärung
erforderlichen Vorarbeiten sowie die Prüfung der Wirksamkeit der Pfändung
und deren weitere Bearbeitung erfolgen entgegen der Ansicht der Revision
und einer vereinzelt in der Literatur vertretenen Meinung (Klaas
EWiR 97, 1011; Rößler BB 99, 127) weder im Auftrag noch im Interesse
des Vollstreckungsschuldners, sondern im Interesse des Drittschuldners,
der eigene Schäden im Zusammenhang mit der Pfändung vermeiden
will (OLG Köln WM 99, 633, 638).
(3) Für den Arbeitsaufwand,
den die Erfüllung der aus § 840 I ZPO folgenden staatsbürgerlichen
Pflicht ..... können Drittschuldner vom Vollstreckungsschuldner kein
Entgelt verlangen. Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, daß Drittschuldner
die in § 840 I ZPO verlangten Informationen in der Regel leicht und
ohne größeren Aufwand erteilen können. ......
Die von der Revision angesprochene
Frage, ob Drittschuldnern gegen den Vollstreckungsgläubiger ein Anspruch
auf Ersatz ihrer Kosten aus der Abgabe ihrer Kosten zustehen kann, ist
in Rechtsprechung und Literatur umstritten (verneinend: BAG NJW 95, 1181;
BVerwG Rpfleger 95, 261; Stein/Jonas/Brehm § 840 Rdn. 35; ..... ...
... Thomas/Putzo ZPO 21. Aufl. § 840 Rdn. 12; a.A. MünchKommZPO-Smid
§ 840 Rdn. 8; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 57. Aufl. §
840 Rdn. 13; offengelassen in BGH
vom 13. 12.84 -IX ZR 89/84, WM 85, 238,239).
Sie bedarf hier schon deshalb keiner Entscheidung, weil allenfalls ein
Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen ....... in Betracht kommt .......
Die Festsetzung eines vom
Vollstreckungsschuldners zu zahlenden Entgelts für die Bearbeitung
von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen in Allgemeinen
Geschäftsbedingungen von Drittschuldnern ist daher mit wesentlichen
Grundgedanken der gesetzlichen Regelung schlichthin unvereinbar (ebenso
OLG Köln WM 99, 633, 638).
(4) Unabhängig davon
verstößt die konkrete Ausgestaltung der beanstandeten Preisklausel
gegen § 9 II Nr. 1 AGBG. Das Entgelt von 30 DM fällt danach ohne
Rücksicht darauf an, ob der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß
wirksam zugestellt, unberechtigt oder fehlerhaft ist, ob die Drittschuldnererklärung,
von der in der Klausel keine Rede ist, abgegeben wird oder nicht, ob das
gepfändete Konto ein Guthaben oder aber ein Debet ausweist.
....... Dies ist durch nichts gerechtfertigt ...
bb) Auch in der Überwachung
der Pfändungsmaßnahme, für die die Beklagte in der zweiten
streitigen Preisklausel ein Entgelt von 20 DM festgelegt hat, erbringt
sie keine Dienstleistung für den Vollstreckungsschuldner auf rechtsgeschäftlicher
Grundlage, sondern handelt ausschließlich im eigenen Interesse.
(1) Die Überwachung geschieht
nicht aufgrund eines Auftrages oder einer Weisung des Vollstreckungsschuldners,
sondern wird im Anschluß an die vom Vollstreckungsgläubiger
veranlaßte, möglicherweise sogar rechtswidrige Pfändung
von der Beklagten aus eigenem Antrieb vorgenommen. Sinn und Zweck der Überwachung
ist es zu gewährleisten, daß Zahlungen aus dem gepfändeten
Kontoguthaben befriedigende Wirkung haben. ....... Es kann
danach entgegen der Ansicht der Revision keine Rede davon sein, die Überwachung
stelle eine entgeltpflichtige (Sonder-)Dienstleistung der Beklagten für
den Vollstreckungsschuldner dar.
(2) Auch ein Aufwendungsersatzanspruch
der Beklagten aus § 670 BGB wird durch die von ihr in eigenem Interesse
durchgeführten Überwachung nicht begründet ...(wird ausgeführt)...
(3) Auch die Klausel, mit
der unter unrichtiger Deklarierung der Überwachungsmaßnahme
als Dienstleistung für den Vollstreckungsschuldner ein Betrag zu den
Gesamtkosten der Beklagten verlangt wird, ist danach mit wesentlichen Grundgedanken
der gesetzlichen Regelung nicht vereinbar ( § 9 II Nr. 1 AGBG).
.....
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