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2019-01-09
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Ausgesuchte Urteile im Volltext oder in Auszuegen
Eine Bank kommt ihrer Verpflichtung aus Nr. 15 Abs. 2 der Sonderbindungen für Wertpapiergeschäfte, den Kunden über den
Verfall von Rechten aus Optionsscheinen zu benachrichtigen, nur dann in ausreichendem Maße nach, wenn der Mitteilung
unmißverständlich zu entnehmen ist, daß das Optionsrecht mit Ablauf der hierfür vorgesehenen Frist möglicherweise ersatzlos
erlischt und ohne einen rechtzeitigen Verkauf oder die fristgerechte Ausübung des Optionsrechts ein etwaiger Wert verloren
geht.
vergl. auch ....
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 197/01
OLG Bamberg
LG HofVerkündet am:
7. Mai 2002
in dem Rechtsstreit
Der XI.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. Mai 2002 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe und die Richter
Dr. Siol, Dr. Bungeroth, Dr. Joeres und Dr. Wassermann
für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil des 7. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Bamberg vom 27. März 2001 aufgehoben und das
Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Hof vom 20. Januar 2000
teilweise abgeändert.
Die
Beklagte wird verurteilt, an den Kläger über den vom Landgericht
zuerkannten Betrag hinaus weitere 8.709 nebst 4% Zinsen seit dem 1.
September 1997 zu zahlen.
Die Rechtsmittel des Klägers im übrigen und die Berufung der Beklagten werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger nimmt die beklagte Bank auf Schadensersatz in Anspruch, weil
sie ihn nicht auf den bevorstehenden Verfall von Optionsscheinen
hingewiesen habe. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger unterhielt bei der Beklagten, einer Direktanlagebank, ein
Depotkonto sowie ein Kontokorrentkonto zur Verrechnung von
Wertpapiergeschäften. Vertragsbestandteil waren die "Sonderbedingungen
für das Discount Brokerage" (künftig: Sonderbedingungen). Deren Nr. 15
Abs. 2 lautet:
"Options- und Wandlungsrechte
Über den Verfall von Rechten aus Optionsscheinen oder Wandlungsrechten
aus Wandelschuldverschreibungen wird die Bank den Kunden mit der Bitte
um Weisung benachrichtigen, wenn auf den Verfalltag in den
"Wertpapier-Mitteilungen" hingewiesen worden ist."
Der Kläger kaufte am 18. März und am 30. Mai 1997 über die Beklagte
insgesamt 1.400 Optionsscheine, die zum Bezug von Aktien der D. B.
berechtigten. Sie hatten am 30. Juni 1997 einen Wert von 102.200 DM.
Nach Ablauf der an diesem Tage endenden Optionsfrist wurden die
Optionsscheine dem Depot des Klägers als wertlos entnommen.
Der Kläger begehrt die Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 102.200
DM nebst Zinsen. Er macht geltend: Er habe von der Beklagten keine
Mitteilung darüber erhalten, daß die Optionsfrist am 30. Juni 1997
ablaufe und die Optionsscheine sodann wertlos würden. Auch ohne eine
Weisung sei die Beklagte verpflichtet gewesen, die Optionsscheine an
deren letztem Börsenhandelstag zu veräußern.
Die Beklagte trägt vor, sie habe den Kläger vom Verfall der
Optionsscheine mit folgendem, am 4. Juni 1997 zur Post gegebenen
Schreiben informiert:
"Sehr
geehrter Kunde,
die oben genannten Optionsscheine werden zum 30. Juni 1997 fällig.
Wir erlauben uns, darauf aufmerksam zu machen, daß die Optionsscheine
voraussichtlich bis zum 23. Juni 1997 an der Börse gehandelt werden.
Wir bitten Sie, sich rechtzeitig mit Ihrer depotführenden Stelle
w/Verkauf bzw. Optionsscheineausübung in Verbindung zu setzen. Ohne
Ihre Weisung werden wir von uns aus in dieser Angelegenheit nicht tätig
werden."
Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 51.100 DM nebst 4%
Zinsen seit dem 1. September 1997 verurteilt und die Klage im übrigen
abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers
zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten die Klage insgesamt
abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag
weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist überwiegend begründet. Sie führt zur Aufhebung des
angefochtenen Urteils und zur Verurteilung der Beklagten in Höhe von
zwei Dritteln des Klageantrags.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im
wesentlichen ausgeführt:
Dem Kläger stehe kein Schadensersatzanspruch wegen positiver
Forderungsverletzung des Depotvertrages zu. Ihrer Pflicht aus Nr. 15
Abs. 2 der Sonderbedingungen zur Benachrichtigung des Klägers vom
Verfall der Optionsscheine sei die Beklagte mit der Absendung ihres
Schreibens vom 4. Juni 1997 nachgekommen. Eine Bringschuld liege
insoweit nicht vor, so daß die Beklagte für den Zugang des Schreibens
nicht hafte. § 130 BGB könne hier weder unmittelbar noch analog
angewendet werden, weil das Benachrichtigungsschreiben keine
Willenserklärung darstelle.
Der Inhalt des Schreibens sei ausreichend gewesen, um den Kläger
rechtzeitig auf den bevorstehenden Ablauf der Optionsausübungsfrist
hinzuweisen. Weitere Ausführungen, insbesondere zu den Folgen der
Versäumung der Ausübungsfrist, seien nicht veranlaßt gewesen. Zu einer
nochmaligen Benachrichtigung habe die Beklagte auch im Hinblick auf das
Ausbleiben einer Weisung des Klägers gegen Ende des
Optionsscheinshandels an der Börse keinen Anlaß gehabt.
Es stelle ebenfalls keine Pflichtverletzung dar, daß die Beklagte die
Optionsscheine nicht am letzten Tag des Börsenhandels auch ohne eine
Weisung des Klägers verkauft habe. In Nr. 15 Abs. 2 der
Sonderbedingungen sei ein Verkauf von Optionsrechten ohne
entsprechenden Kundenauftrag nicht vorgesehen. Die Initiative für einen
Verkauf habe wegen der verschiedenen Handlungsmöglichkeiten und ihrer
Folgen allein beim Anleger zu verbleiben.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
Die Beklagte hat gemäß § 280 Abs. 1 BGB a.F. dem Kläger den
entstandenen Schaden zu ersetzen, da sie ihre Verpflichtung, ihn vom
Verfall der Rechte aus den Optionsscheinen zu benachrichtigen, mit
Absendung des Schreibens vom 4. Juni 1997 nicht erfüllt hat, die
Erfüllung dieser Verpflichtung jedenfalls mit Ablauf der Frist zur
Ausübung der Option am 30. Juni 1997 unmöglich geworden ist und die
Beklagte dies auch zu vertreten hat. Der Kläger hat sich aber ein
Mitverschulden in Höhe von einem Drittel anrechnen zu lassen.
1. Zu Unrecht meint die Revision allerdings, die Beklagte habe ihrer
Benachrichtigungspflicht aus Nr. 15 Abs. 2 der - insoweit mit den
Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte (WM 1995, 362 ff.)
identischen - Sonderbedingungen bereits deshalb nicht genügt, weil sie
den Zugang ihres Schreibens vom 4. Juni 1997 beim Kläger nicht
nachgewiesen habe. Die Ansicht des Berufungsgerichts, die Beklagte habe
nur für eine ordnungsgemäße Absendung eines inhaltlich ausreichenden
Benachrichtigungsschreibens Sorge zu tragen, ist nicht zu beanstanden.
a) Bei der sich aus Nr. 15 Abs. 2 der Sonderbedingungen ergebenden
Benachrichtigungspflicht handelt es sich für die Beklagte nicht um eine
Bring-, sondern um eine Schickschuld. Nr. 15 Abs. 2 der
Sonderbedingungen konkretisiert die sich aus § 666 BGB ergebenden
Benachrichtigungspflichten. Ihre Verpflichtungen aus dem Depotvertrag
mit dem Kläger hat die Beklagte gemäß § 269 BGB grundsätzlich an ihrem
Geschäftssitz zu erfüllen; das gilt im Zweifel auch für Nebenpflichten,
insbesondere Auskunftspflichten (BGH, Urteil vom 30. September 1976 -
II ZR 107/74, WM 1976, 1230, 1232; Erman/Kuckuk, BGB 10. Aufl. § 269
Rdn. 4). Daß die Parteien hinsichtlich des Leistungsortes eine
anderweitige Vereinbarung getroffen und bezüglich der hier in Rede
stehenden Benachrichtigungspflicht eine Bringschuld der Beklagten
vereinbart hätten, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Eine solche
Bestimmung des Leistungsortes ergibt sich weder aus Nr. 15 Abs. 2 der
Sonderbedingungen noch aus der Natur des Schuldverhältnisses. Die
Beklagte hatte keinen Grund, das Risiko des Zugangs einer
ausschließlich im Interesse des Kunden erfolgenden Benachrichtigung zu
übernehmen, zumal die Nachricht für diesen nur eine Erinnerungshilfe
darstellt. Sie schuldete deshalb nur die sorgfältige Auswahl des Boten
und die ordnungsgemäße Absendung der Benachrichtigung, nicht aber deren
Zugang.
b) Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich aus § 130 Abs. 1
Satz 1 BGB, wonach die einem anderen gegenüber in dessen Abwesenheit
abgegebene Willenserklärung - erst - in dem Zeitpunkt wirksam wird, in
dem sie ihm zugeht, nichts anderes. Diese Vorschrift gilt unmittelbar
nur für empfangsbedürftige Willenserklärungen; sie wird von der
herrschenden Meinung zwar entsprechend angewendet auf geschäftsähnliche
Handlungen (MünchKomm/Einsele, BGB 4. Aufl. § 130 Rdn. 4;
Soergel/Hefermehl, BGB 13. Aufl. § 130 Rdn. 4; Staudinger/Dilcher, BGB
12. Aufl. § 130 Rdn. 15). Hierzu gehören auch Mitteilungen und
Anzeigen, an die das Gesetz Rechtsfolgen knüpft (vgl. Erman/Palm, aaO
Einl. § 104 Rdn. 6; Staudinger/Dilcher, aaO Einl. zu §§ 104 bis 185
Rdn. 20), nicht aber bloße Benachrichtigungen nach § 666 BGB oder Nr.
15 Abs. 2 der Sonderbedingungen (vgl. BGB-RGRK/Steffen, 12. Aufl. § 666
Rdn. 4).
Zu Unrecht beruft sich die Revision insoweit auf die Entscheidung des
Senats vom 28. Februar 1989 (XI ZR 80/88, WM 1989, 625, 626). In diesem
Urteil, das die Unterrichtung des Lastschriftschuldners von der
Nichteinlösung einer Lastschrift im Einzugsermächtigungsverfahren
betraf, hat der Senat zwar ausgeführt, daß die von Rechtsprechung und
Schrifttum zu § 130 BGB entwickelten Rechtsgrundsätze über den Zugang
von Willenserklärungen im Falle der Abgabe gegenüber einem Abwesenden
entsprechende Anwendung finden könnten, wenn es nicht um eine
Willenserklärung, sondern um eine der Unterrichtung des Adressaten
dienende Mitteilung gehe. Diese Ausführungen betrafen jedoch die -
seinerzeit verneinte - Frage, ob auch die Eltern eines volljährigen
Mitteilungsadressaten als geeignete Empfangsboten in Betracht kommen
können. Daß eine Verpflichtung zu Auskünften und Benachrichtigungen im
Sinne des § 666 BGB erst mit Zugang gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB
erfüllt sei, sollte damit nicht zum Ausdruck gebracht werden.
2. a) Zu Recht rügt die Revision jedoch die Ansicht des
Berufungsgerichts, der Inhalt des Schreibens der Beklagten vom 4. Juni
1997 sei ausreichend gewesen, den Kläger rechtzeitig auf den
bevorstehenden Ablauf der Optionsausübungsfrist am 30. Juni 1997
hinzuweisen. Nach Nr. 15 Abs. 2 der Sonderbedingungen war die Beklagte
verpflichtet, den Kläger "über den Verfall von Rechten aus
Optionsscheinen ... mit der Bitte um Weisung zu benachrichtigen, wenn
auf den Verfalltag in den Wertpapier-Mitteilungen hingewiesen worden
ist". Diese Verpflichtung hat die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 4.
Juni 1997 nicht in ausreichendem Maße erfüllt.
Mit ihm hat die Beklagte dem Kläger mitgeteilt: "Die oben genannten
Optionsscheine werden zum 30. Juni 1997 fällig". Diese Mitteilung macht
den "Verfall" der Optionsscheine zum 30. Juni 1997 nicht in
ausreichendem Maße deutlich. Insbesondere geht aus dem Schreiben der
Beklagten nicht hinreichend klar hervor, daß dem Kläger der ersatzlose
Verfall der Scheine und damit ein Totalverlust droht, wenn er sie nicht
bis zum 23. Juni 1997 verkauft oder rechtzeitig die Option ausübt. Das
ergibt sich auch nicht aus der Bitte der Beklagten, sich rechtzeitig
mit der depotführenden Stelle wegen eines Verkaufs bzw. der Ausübung
der Option in Verbindung zu setzen.
Vielmehr vermittelt die Verwendung des Begriffs "fällig" den
unzutreffenden Eindruck, daß zu dem genannten Zeitpunkt eine Leistung
aus den Optionsscheinen zu erwarten sei. Die Mitteilung der Beklagten
war damit sogar geeignet, den Irrtum hervorzurufen oder zu bestärken,
bei einem werthaltigen Optionsschein werde vom Emittenten, wie das bei
zahlreichen Optionsscheinen der Fall ist, nach Ablauf der
Optionsausübungsfrist automatisch ein Wertausgleich gezahlt. Eine Bank
kommt ihrer Verpflichtung, den Kunden von dem Verfall von Rechten aus
Optionsscheinen zu benachrichtigen, deshalb nur dann in ausreichendem
Maße nach, wenn der Mitteilung unmißverständlich zu entnehmen ist, daß
das Optionsrecht mit Ablauf der hierfür vorgesehenen Frist
möglicherweise ersatzlos erlischt und ohne einen rechtzeitigen Verkauf
oder die fristgerechte Ausübung des Optionsrechts ein etwaiger Wert
verloren geht.
b) Die Erfüllung ihrer sich aus Nr. 15 Abs. 2 der Sonderbedingungen
ergebenden und mit dem inhaltlich unzureichenden Schreiben vom 4. Juni
1997 nicht erfüllten Benachrichtigungspflicht ist der Beklagten mit
Ablauf des 23. Juni 1997, dem letzten für den in Rede stehenden
Optionsschein vorgesehenen Börsenhandelstag, jedenfalls aber mit Ablauf
der Optionsausübungsfrist am 30. Juni 1997, unmöglich geworden. Das
folgt aus dem zeitgebundenen Charakter der Benachrichtigungspflicht,
deren Zweck spätestens nach Ablauf der Optionsfrist nicht mehr erfüllt
werden kann. Diese Unmöglichkeit hat die Beklagte auch zu vertreten, da
ihre Mitarbeiter bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätten erkennen
müssen, daß das Schreiben vom 4. Juni 1997 nicht geeignet war, die
Benachrichtigungspflicht zu erfüllen.
c) Die Nichterfüllung der der Beklagten obliegenden
Benachrichtigungspflicht ist für den vom Kläger geltend gemachten
Schaden ursächlich geworden. Das gilt auch im Hinblick auf den
vorgetragenen Irrtum des Klägers, bei Verfall eines werthaltigen
Optionsscheines werde grundsätzlich automatisch ein Wertausgleich
gezahlt. Es ist nicht ausgeschlossen, daß bei einer inhaltlich
ordnungsgemäßen Benachrichtigung vor dem Verfall des Optionsscheins ein
solcher Irrtum des Klägers beseitigt worden wäre. Dies geht zu Lasten
der Beklagten, die aufgrund der Verletzung ihrer vertraglichen
Aufklärungspflicht darlegungs- und beweispflichtig dafür ist, daß der
Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre, der
Geschädigte also den Hinweis unbeachtet gelassen hätte (vgl.
Senatsurteile BGHZ 124, 151, 159 f. und vom 14. Mai 1996 - XI ZR
188/95, WM 1996, 1214, 1216; BGH, Urteil vom 6. April 2001 - V ZR
402/99, WM 2001, 1158, 1160).
Das gilt ungeachtet des Umstands, daß der Kläger zwei
Handlungsalternativen hatte, nämlich zum einen die Veräußerung der
Optionsscheine bis zum letzten hierfür vorgesehenen Börsenhandelstag
und zum anderen die Ausübung der Optionsrechte bis zum Ende der dafür
bestimmten Frist. Zwar besteht die Vermutung "aufklärungsrichtigen
Verhaltens" nur in Fällen, in denen es für den aufzuklärenden Partner
vernünftigerweise nur eine Möglichkeit der Reaktion gibt, die
vollständige und richtige Auskunft also keinen Entscheidungskonflikt
ausgelöst hätte (Senatsurteile BGHZ 124, 151, 161; vom 10. Mai 1994 -
XI ZR 115/93, WM 1994, 1466, 1467; vom 11. März 1997 - XI ZR 92/96, WM
1997, 811, 813 und vom 9. Juni 1998 - XI ZR 220/97, WM 1998, 1527,
1529). Die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens hat jedoch auch
dann zu gelten, wenn es für den aufzuklärenden Teil vernünftigerweise
zwei Handlungsalternativen gibt, deren Wahrnehmung jeweils geeignet
gewesen wäre, den entstandenen Schaden zu vermeiden.
So liegt es hier. Bei einer Veräußerung der Optionsscheine am 23. Juni
1997, ihrem letzten Börsenhandelstag, hätte der Kläger einen
Veräußerungserlös in Höhe von jeweils 73,20 DM erzielt, bei Ausübung
der Optionsrechte am 30. Juni 1997 deren Wert in Höhe von jeweils 73 DM
realisiert. Mehr als den letztgenannten Betrag je Optionsschein macht
er als Schaden nicht geltend.
3. Den Kläger trifft an der Entstehung des eingetretenen Schadens
jedoch ein Mitverschulden, das in Höhe von einem Drittel zu bewerten
ist.
a) Der Kläger hat den ihm entstandenen Schaden dadurch mitverursacht
und mitverschuldet, daß er sich gegen Ende der Laufzeit der
Optionsscheine nicht um diese gekümmert hat. Optionsscheine verbriefen
das Recht, vom Emittenten zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb
eines bestimmten Zeitraums die Lieferung bestimmter Werte für einen
festgelegten Preis oder die Zahlung eines Geldbetrages zu verlangen
(Kienle in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch 2. Aufl. §
106 Rdn. 64). Von ihrem Wesen her stellen Optionsscheine daher
zeitgebundene Rechte dar. Den Inhaber trifft deshalb - vor allem gegen
Ende ihrer Laufzeit - die Obliegenheit, Optionsscheine nicht völlig
unbeobachtet zu lassen. Gegebenenfalls hat er sich über die von ihm zur
Realisierung eines etwaigen inneren Wertes der Optionsscheine zu
unternehmenden Schritte zu informieren. Daran hat es der Kläger, der
aufgrund der Kaufbelege über die Laufzeit der Scheine informiert war,
erkennbar fehlen lassen. Er durfte nicht blind auf die Richtigkeit
seiner Annahme vertrauen, beim Verfall eines werthaltigen
Optionsscheins werde stets automatisch ein Wertausgleich gezahlt.
Die Höhe des Anteils des Klägers an der Mitverursachung und sein
Mitverschulden bewertet der Senat unter Abwägung der Verursachungs- und
Verschuldensanteile beider Parteien mit einem Drittel. Diese Abwägung
kann der Senat selbst vornehmen, da insoweit weitere tatsächliche
Feststellungen nicht mehr zu treffen sind (vgl. Senat, Urteile vom 12.
Oktober 1999 - XI ZR 294/98, WM 1999, 2255, 2256 und vom 24. Juli 2001
- XI ZR 164/00, WM 2001, 1716, 1717).
b) Die Mitverursachung und das Mitverschulden auf seiten des Klägers
ist entgegen der Auffassung der Revision nicht deshalb geringer zu
bewerten, weil die Beklagte hier zusätzlich eine Pflicht verletzt
hätte, die Optionsscheine auch ohne eine entsprechende Weisung des
Klägers an deren letztem Börsenhandelstag zu veräußern. Eine solche
Verpflichtung traf die Beklagte nicht.
aa) Anders als Nr. 15 Abs. 1 der Sonderbedingungen, die mit Nr. 15 Abs.
1 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte (WM 1995, 362 ff.)
identisch ist und den Verkauf von Bezugsrechten am Ende des
Bezugsrechtshandels auch ohne entsprechende Weisung des Kunden
vorsieht, enthält Nr. 15 Abs. 2 der Sonderbedingungen für
Optionsscheine keine entsprechende Regelung. Einer ergänzenden
Vertragsauslegung oder dem Grundsatz von Treu und Glauben kann eine
Verkaufsverpflichtung der Beklagten ebenfalls nicht entnommen werden.
Dem steht bereits der Umstand entgegen, daß die Beklagte durch einen
Verkauf der Optionsscheine ohne Weisung dem Kläger die Möglichkeit
genommen hätte, die Aktien durch Ausübung der Option innerhalb der noch
bis zum 30. Juni 1997 laufenden Frist zu beziehen. Aus der Sicht der
mit den Absichten des Klägers nicht vertrauten Beklagten war es
durchaus möglich, daß es diesem gerade darauf ankam, die Aktien zu
erwerben, z.B. weil er sie schon "leer" verkauft hatte oder weil er sie
für eine zukunftsträchtige Anlage hielt.
bb) Eine Verpflichtung der Beklagten, die Optionsscheine am letzten Tag
ihres Börsenhandels auch ohne Weisung des Klägers zu verkaufen, ergibt
sich entgegen der Auffassung der Revision nicht aus § 31 Abs. 1 Nr. 1
WpHG, wonach ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen verpflichtet ist,
Wertpapierdienstleistungen mit der erforderlichen Sachkenntnis,
Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit im Interesse seiner Kunden zu
erbringen. Es kann dabei dahinstehen, ob diese Vorschrift als Norm des
öffentlichen Aufsichtsrechts überhaupt geeignet ist, unmittelbar in die
vertraglichen Beziehungen der Parteien hineinzuwirken. Im Hinblick auf
die auch nach Ablauf des Börsenhandels der Optionsscheine verbleibende
Handlungsalternative des Klägers lag der Verkauf der Optionsscheine
eben nicht notwendigerweise in seinem Interesse. § 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG
verpflichtete die Beklagte deshalb nicht zu einem solchen Verkauf.
III.
Das Berufungsurteil war daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.). Da
weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, konnte der Senat in der
Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a.F.) und der Klage zu
zwei Dritteln stattgeben.
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