2019-01-18
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Ausgewählte Urteile im Volltext
oder in Auszügen
AA Gläubiger darf in eine offene Kreditline des Pfändungsschuldners hineinpfänden!
BGH IX ZR 34/00 vom 2001-03-29 (Korr. 2001-05-03)( Vorinst: OLG Hamm; LG Essen)
Das klagende Land erließ am 2. April 1998 durch das zuständige
Finanzamt wegen einer Steuerforderung gegen T. W. (im folgenden:
Vollstreckungsschuldner) in Höhe von damals rd. 59.000 DM eine Pfändungs- und
Einziehungsverfügung, durch die alle Ansprüche des Steuerschuldners gegen die
verklagte Sparkasse, bei der dieser u.a. ein Girokonto mit der Nummer ...
unterhielt, unter Anordnung der Einziehung gepfändet wurden. Die Verfügung
bezog sich u.a. auf "alle dem Vollstreckungsschuldner gegenwärtig und künftig
gegen ... (die Beklagte) zustehenden Ansprüche ... auf ... Auszahlung,
Gutschrift oder Überweisung an sich und an Dritte von Kreditmitteln aus bereits
abgeschlossenen und künftigen Kreditverträgen (z.B. Kredit oder Überziehungskredit
ohne besondere Zweckbindung oder Kredit für betriebliche Zwecke, falls
Betriebssteuern geschuldet werden)". Das genannte Konto wies damals einen
Soll-Saldo von 32.563,10 DM aus, der bis zum 12. Juni 1998 auf 22.956,51 DM
zurückgeführt wurde. In diesem Zeitraum wurden aufgrund von Verfügungen des
Vollstreckungsschuldners insgesamt 146.969,82 DM von dem Konto abgebucht. Die
Beklagte überwies insgesamt 18.000 DM an das Finanzamt; im übrigen wies das
Konto kein Guthaben aus. Der Kläger verlangt von der Beklagten Begleichung der
jetzt noch bestehenden Steuerschuld von 37.601,25 DM mit der Begründung, in
dieser Höhe hätte die Beklagte wegen der Pfändung keine Verfügungen über das
Konto zulassen dürfen.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision
verfolgt der Kläger den Klageanspruch weiter
Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
I. Das Berufungsgericht hat den Vortrag des Klägers als richtig unterstellt, die Beklagte habe sich, nachdem sie die Pfändungs- und Einziehungsverfügung erhalten habe, mit dem Vollstreckungsschuldner darauf verständigt, daß dieser trotz des negativen Kontostands Barabhebungen und Überweisungen vornehmen und das Konto mit Lastschriften, "Kartenzahlungen" und sonstigen Verfügungen belasten dürfe. In diesem Sachverhalt hat das Berufungsgericht zu Recht die vertragliche Einräumung eines Dispositionskredits gesehen, die die Beklagte verpflichtete, die Geldmittel für die Kontoverfügungen des Vollstreckungsschuldners bereitzustellen. Das Berufungsgericht hat jedoch gemeint, die sich daraus ergebenden Ansprüche des Vollstreckungsschuldners gegen die Beklagte seien von der Pfändung nicht erfaßt worden. Diese rechtliche Beurteilung trifft nicht zu.
1. Die Zusage der Beklagten, Verfügungen über das Konto auch dann zuzulassen, wenn sie nicht durch ein Guthaben abgedeckt waren, gab dem Vollstreckungsschuldner, soweit er sich entschloß, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen, und solange der Kreditvertrag bestand, einen Anspruch darauf, den jeweils durch Barabhebung, Ausstellung einer Überweisung oder in sonstiger Weise angeforderten - "abgerufenen" - Geldbetrag darlehensweise zur Verfügung gestellt zu bekommen.
Eine Pflicht zur Inanspruchnahme dieser Kreditmöglichkeit, mit der gleichzeitig die entsprechende Rückzahlungsverpflichtung des Vollstreckungsschuldners begründet wurde, bestand für diesen freilich nicht. Es spricht deshalb viel für die Annahme, daß bei einem derartigen Dispositionskredit bis zum jeweiligen Abruf noch kein Anspruch auf Auszahlung gegen die Bank besteht, der einem Abtretungsempfänger oder einem Pfandgläubiger das Recht geben könnte, sich ohne Mitwirkung des Kontoinhabers die für diesen bereitgestellten Kreditmittel auszahlen zu lassen. Aus diesem Grund wird im Schrifttum überwiegend angenommen, das Recht zum Abruf eines Dispositionskredits sei weder selbständig pfändbar noch werde es von einer Pfändung des Auszahlungsanspruchs erfaßt (vgl. Wagner WM 1998, 1659 f m. umfangr. Nachw.; a.A. Grunsky JZ 1985, 491; vgl. auch ders. ZZP 95 [1982], 264, 271 ff). Darauf ist hier nicht weiter einzugehen. Eine Pflicht des Kreditinstituts zur Auszahlung besteht jedenfalls, sobald und soweit der Kontoinhaber durch eine entsprechende Verfügung (Verlangen nach Barauszahlung, Ausstellung eines Überweisungsauftrags und dergl.) in Höhe eines bestimmten Geldbetrages die Kreditzusage in Anspruch nimmt. Ein sich daraus ergebender Auszahlungsanspruch des Kreditnehmers läßt sich nicht deswegen verneinen, weil seine Entstehung mit der Inanspruchnahme des Kredits - etwa durch Verlangen nach Auszahlung oder durch Überweisung - zusammenfiele (unzutreffend OLG Schleswig NJW 1992, 579, 580). Dies ist schon aus tatsächlichen Gründen nicht der Fall; denn der Auszahlungshandlung der Bank geht der Abruf durch den Kunden immer voraus (vgl. Gaul KTS 1989, 3, 16 f).
2. Der Kläger hat die durch die Kontoverfügungen des Vollstreckungsschuldners
entstandenen Kreditauszahlungsansprüche wirksam gepfändet.
a) Bei Erlaß der Pfändungs- und Überweisungsverfügung
vom 2. April 1998 bestanden diese Ansprüche zwar noch nicht. Pfändbar
sind jedoch auch zukünftige Forderungen, wenn schon eine
Rechtsbeziehung zwischen Schuldner und Drittschuldner besteht, aus der
die spätere Forderung nach ihrem Inhalt und der Person des
Drittschuldners bestimmt werden kann (BGHZ 53, 29, 32). Das war hier
entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung aufgrund des
Krediteröffnungsvertrags der Fall. Die Pfändungs- und
Einziehungsverfügung vom 2. April 1998 führte als gepfändet u.a.
ausdrücklich Ansprüche "aus bereits abgeschlossenen und künftigen
Kreditverträgen" auf, wobei erläuternd insbesondere Überziehungskredite
erwähnt waren. Damit erstreckte sich die Pfändung auf im Zusammenhang
mit dem Girovertrag eingeräumte, erst später entstehende oder fällig
werdende Kreditauszahlungsansprüche.
b) Der Anspruch auf Auszahlung eines zugesagten
Darlehens ist grundsätzlich abtretbar und damit auch pfändbar (BGH,
Urt. v. 26. April 1978 - VIII ZR 18/77, JR 1978, 419, 420). Eine
Pfändung des Anspruchs erfaßt den Darlehensbetrag als solchen und nicht
nur die zeitweilige Nutzung des Kapitals (so Häuser ZIP 1983, 891, 899
f; Olzen ZZP 97 [1984], 1, 7 ff; anders aber wohl ders. EWiR 1994, 517,
518). Es trifft zwar zu, daß die Gewährung eines Darlehens, da es
zurückgezahlt werden muß, wirtschaftlich nur eine Kapitalnutzung
bedeutet. Gegenstand der Zwangsvollstreckung sind aber nicht
wirtschaftliche Vorteile, sondern die dem Schuldner gehörenden
Vermögensgegenstände. Der durch den Darlehensvertrag begründete
Anspruch richtet sich auf die Verschaffung einer bestimmten Geldsumme
(Gaul KTS 1989, 3, 11; Lwowski, in: Schimansky/Bunte/Lwowski,
Bankrechtshandbuch, 1997, § 33 Rdnr. 43). Deren Auszahlung belastet den
Darlehensnehmer zwar mit der Rückzahlungsverpflichtung. Das schmälert
aber die dem Zugriff in der Zwangsvollstreckung unterliegende
Auszahlungsforderung als solche nicht; denn den erst später fällig
werdenden Rückzahlungsanspruch kann der Darlehensgeber der gegen ihn
gerichteten Forderung auf Auszahlung nicht in Form eines
Zurückbehaltungsrechts entgegenhalten.
c) Im Schrifttum wird teilweise angenommen, ein Dispositionskredit sei
zweckgebunden und aus diesem Grund nicht pfändbar. Das Kreditinstitut stelle dem
Kunden den Kredit nicht schlechthin, sondern nur unter der Voraussetzung zur
Verfügung, daß er seine wirtschaftliche Position durch Nutzung des Kapitals
stärke und damit zugleich die Chancen der Bank erhöhe, das Geld zurückzuerhalten
(Erman, Gedächtnisschrift für Rudolf Schmidt, 1966, S. 261, 267 f); zwischen der
Bank und dem Kunden bestehe ein besonderes Vertrauensverhältnis und der
Dispositionskredit stehe ausschließlich zur Verfügung des Schuldners (
Lwowski/Weber ZIP 1980, 609, 611; Nassall NJW 1986, 168 f; im Ergebnis auch
Ensthaler/Herget, Gemeinschaftskommentar zum HGB 5. Aufl. § 357 Rdnr. 11;
Rosenberg/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht 10. Aufl. § 54 I 1 a bb). Es wird
auch die Ansicht vertreten, der Zugriff auf ein Unternehmenskonto sei auf
betriebliche Gläubiger beschränkt (Bauer DStR 1982, 280, 281 f; Carl DStR 1988,
765, 769).
Nach § 851 Abs. 1 ZPO ist eine Forderung nicht pfändbar, soweit sie nicht
abtretbar ist. Bei einer vereinbarten Zweckbindung, mit der die Zahlung an den
ursprünglichen Gläubiger zum Leistungszweck gemacht wird (§ 399 Alt. 1 BGB), ist
die Forderung trotz des weitergehenden Wortlauts des § 851 Abs. 2 ZPO jedenfalls
dann unpfändbar, wenn die Bindung treuhänderischen Charakter hat (BGHZ 94, 316, 322; BGH, Urt. v. 30. März 1978 -
VII ZR 331/75, LM ZPO § 851 Nr. 3; v. 16. Dezember 1999 - IX ZR 270/98, WM 2000, 264, 265). Von einer
treuhänderischen Bindung kann bei einem bankgeschäftlichen Dispositionskredit nicht ohne weiteres die Rede sein.
Darüber hinaus fehlt es bei ihm überhaupt an einer vereinbarten Zweckbindung, wenn die Bank dem Kontoinhaber das
Kapital zur freien Verfügung überläßt.
d) Der Kontoinhaber, der von einer vereinbarten Kreditlinie Gebrauch macht,
indem er zu Lasten seines debitorischen Kontos Geld abhebt oder an andere
überweist, tut dies nicht, um dadurch einem (anderen) Gläubiger die Möglichkeit
des Zugriffs auf dieses Geld zu verschaffen. Deshalb wird gegen die Annahme der
Pfändbarkeit solcher Geldmittel eingewandt, dem Vollstreckungsschuldner werde auf
diese Weise ein letztlich - wegen der Verwendung des Geldes für einen von ihm
nicht bestimmten Zweck - nicht gewollter Kredit aufgedrängt. Das sei von der
Privatautonomie nicht gedeckt; die Höchstpersönlichkeit des Rechts zum "Abruf"
des Kredits müsse daher auch die Bestimmung des Zwecks der Kreditaufnahme
einbeziehen (Lwowski/Bitter, WM-Festgabe für Thorwald Heller, Sonderheft vom 9.
Mai 1994, S. 57, 70; dies. WuB VI E. § 829 ZPO 2.96 S. 1331; LG Münster WM 1996,
1847; Lwowski, Bankrechtshandbuch aaO § 33 Rdnr. 54).
Dieser Einwand gegen die Pfändbarkeit ist nicht tragfähig. Eine einseitige
Zweckbestimmung, die der Drittschuldner einer trotz vorangegangener Pfändung an
den Vollstreckungsschuldner geleisteten Zahlung gibt, schließt die sich aus den
§§ 135, 136 BGB ergebenden Folgen nicht aus (BGH, Urt. v. 20. November 1997 -
IX ZR 152/96, WM 1998, 40, 43). Für eine Zweckbestimmung des
Vollstreckungsschuldners kann nichts anderes gelten; die Privatautomie gebietet
bei der Inanspruchnahme einer Kreditzusage keinen solchen Schutz des
Vollstreckungsschuldners. Dieser könnte anderenfalls bestimmen, daß der durch
den "Abruf" seinem Vermögen einverleibte Auszahlungsanspruch gegen das
Kreditinstitut trotz des Vollstreckungszugriffs eines Gläubigers nicht diesem
zufließen, sondern zugunsten eines anderen Gläubigers verwendet oder das Geld
statt dessen an ihn, den Schuldner selbst, ausgezahlt werden solle. Damit wäre
ihm gestattet, einen Teil seines Vermögens der Vollstreckung zu entziehen. Bei
Auszahlung an einen anderen wäre das Geld für den vollstreckenden Gläubiger
verloren; bei Auszahlung an den Schuldner wäre die Vollstreckung zumindest
wesentlich erschwert (so zu Recht Olzen EWiR 1994, 518). Auch wenn der Schuldner
nicht verpflichtet ist, zur Begleichung seiner Schuld einen Kredit aufzunehmen,
bedeutet das nicht, daß er unter Ausschaltung des Vollstreckungsgläubigers einen
tatsächlich aufgenommenen Kredit anderweitig verwenden dürfte. Das wäre mit Sinn
und Zweck der Zwangsvollstreckung, der grundsätzlich das gesamte Vermögen des
Schuldners unterliegt, nicht vereinbar.
e) Der sich aus der Kreditzusage ergebende Auszahlungsanspruch des
Kontoinhabers wird durch das bankrechtliche Pfandrecht, das auch an Ansprüchen
des Kunden gegen das Kreditinstitut bestehen kann (Nr. 21 Abs. 1 AGB-Sparkassen;
Nr. 21 Abs. 1 AGB-Banken), nicht berührt. Der Kredit soll die Liquidität des
Kreditnehmers erhöhen. Damit wäre es nicht vereinbar, wenn die zur Verfügung
gestellten Mittel sofort wieder zur Abdeckung anderweitiger Ansprüche der Bank
gegen den Kunden abgeschöpft würden (Gaul KTS 1989, 3, 26 m.w.N.; Wagner WM 1998,
1657, 1666).
f) Das Berufungsgericht hat die Klage letztlich wegen der nach seiner
Meinung nicht hinnehmbaren Auswirkungen abgewiesen, die die Pfändung eines
Dispositionskredits haben könne: die Bank, die trotz der Pfändung den jeweiligen
Betrag an ihren Kunden auszahle oder anderweitig überweise, müßte ihn an den
Vollstreckungsgläubiger ein zweites Mal zahlen und der Vollstreckungsschuldner
hätte ihr dementsprechend den Betrag zweifach zu erstatten; ferner hätte die
Pfändung eine Blockade des Kontos zur Folge, die mit Sinn und Zweck einer
Zwangsvollstreckung kaum mehr vereinbar sei. Diese Ausführungen greifen
Äußerungen im Schrifttum und in der Instanzrechtsprechung auf, die mit gleichen
(
Lwowski/Bitter, WM-Festgabe für Thorwald Heller aaO S. 70 f; Lwowski,
Bankrechtshandbuch aaO § 33 Rdnr. 54 f; Nassall NJW 1986, 168, 169;
Ensthaler/Herget aaO § 357 Rdnr. 11; OLG Schleswig NJW 1992, 579, 580) oder
ähnlichen Erwägungen (Lwowski/Weber ZIP 1980, 609, 611 f: es handle sich um eine
Zwangsumschuldung und der Gläubiger werde letztlich mit dem "Geld der Bank"
befriedigt) von einer Bewertung der Interessenlage her die Zulassung einer
solchen Pfändung ablehnen. Die dort vorgetragenen Bedenken sind jedoch
unbegründet.
Eine zweimalige Zahlung kann die Bank dadurch vermeiden, daß sie die
Pfändung beachtet. Eine "Zwangsumschuldung" ist damit nicht verbunden. Ohne
besondere Zweckvereinbarung muß es der Bank gleichgültig sein, an wen sie den
Kreditbetrag auszahlt; sie könnte dann auch nichts dagegen einwenden, wenn ihr
Kreditnehmer das Geld freiwillig zur Befriedigung dieses bestimmten Gläubigers
verwenden würde. Zahlt die Bank den Geldbetrag trotzdem nicht an den
Vollstreckungsgläubiger, sondern nach der Weisung des Schuldners aus, dann
besteht zwar für diesen eine doppelte Zahlungspflicht. Aber die zusätzliche
Belastung wird dadurch ausgeglichen, daß der Vollstreckungsschuldner von seiner
Verbindlichkeit gegenüber dem Vollstreckungsgläubiger befreit worden ist.
Es trifft zu, daß das Girokonto des Bankkunden -
insbesondere des Kaufmanns - heute zum "Knotenpunkt seiner
Zahlungsströme" (Wagner ZIP 1985, 849, 856), zur "Drehscheibe des
Zahlungsverkehrs" (Häuser WM 1990, 129) geworden ist. Dementsprechend
kann der Schuldner besonders empfindlich getroffen werden, wenn im Wege
der Vollstreckung an dieser Stelle zugegriffen wird. Es stimmt auch,
daß die Pfändungsmaßnahme sich als allgemeine "Verfügungssperre" (so
das Berufungsgericht) auswirken kann, sei es, daß der Schuldner nunmehr
von Verfügungen absieht, sei es, daß die Bank die Pfändung zum Anlaß
nimmt, den Kredit zu kündigen (vgl. Nr. 26 Abs. 2 d AGB-Sparkassen; Nr.
19 Abs. 3 AGB-Banken). Gelegentlich wird den Kreditinstituten in der
Literatur ausdrücklich empfohlen, im Fall einer Kontenpfändung "das
Konto zu sperren" (Lwowski, Bankrechtshandbuch § 33 Rdnr. 55;
Lwowski/Bitter WuB VI E. § 829 ZPO 2.96 S. 1332). Diese einschneidenden
Folgen einer Pfändung in die vereinbarte Kreditlinie rechtfertigen es
indessen nicht, die Vollstreckung vor dieser Maßnahme haltmachen zu
lassen. Gerade weil das laufende Konto der Kristallisationspunkt der
Geldbewegungen des Kontoinhabers ist, muß der vollstreckende Gläubiger
darauf zugreifen können. Wenn kaum noch Bargeld "in die Tasche" des
Schuldners gelangt, stellt es keine ausreichende (schonendere)
Alternative dar, den Gläubiger auf die Möglichkeit der Pfändung des
Geldes nach Auszahlung vom - überzogenen - Konto zu verweisen. Da ihm
die Herkunft der auf das Konto gelangenden Gelder oft unbekannt ist,
hilft es ihm auch wenig, wenn ihm der Zugriff "an der Quelle" (Canaris,
Bankvertragsrecht 4. Aufl., Rdnr. 190; Häuser, WM 1990, 129) angeraten
wird; diese kann zudem durch Sicherungsabtretungen - nicht selten
zugunsten der Hausbank - bereits verstopft sein (Wagner WM 1998, 1657,
1665). Die staatliche Aufgabe der Zwangsvollstreckung würde
unvertretbar eingeschränkt, wenn der Schuldner im Zusammenwirken mit
der Bank durch ein debitorisch geführtes Konto die Befriedigung des
vollstreckenden Gläubigers vereiteln und das ihm von der Bank zur
Verfügung gestellte Geld dort einsetzen könnte, wo er es für sinnvoller
hält (so zu Recht Wagner WM 1998, 1657, 1664). Der Schuldner kann sich
aus der durch die Zwangsvollstreckungsmaßnahme herbeigeführten
"Blockade" befreien, indem er den ihm zur Verfügung stehenden Kredit
zur Befriedigung des pfändenden Gläubigers einsetzt. Das verstößt nicht
gegen Sinn und Zweck der Zwangsvollstreckung. Wer seinen
Zahlungsverkehr ausschließlich mit Hilfe von Kredit abwickelt, muß es
sich gefallen lassen, die ihm auf diese Weise zur Verfügung stehenden
Geldmittel erst dann weiter nutzen zu können, wenn er daraus den
pfändenden Gläubiger befriedigt hat.
Die Vollstreckungsmaßnahme muß nicht zwangsläufig eine Blockade des Kontos
und damit bei einem Schuldner, der über keine sonstige Liquidität mehr verfügt,
die Insolvenz herbeiführen. Die Bank wird das Konto schwerlich unabhängig von
der Größe des Pfändungsbetrages sperren. Entscheidend wird immer eine
Bonitätsprüfung unter Berücksichtigung vorhandener Sicherheiten sein.
Es besteht für die Bank auch die Möglichkeit, ihrem Kunden einen treuhänderisch
gebundenen Sanierungskredit zu gewähren, um auf diese Weise den unmittelbaren
Zugriff der Gläubiger auf die Geldmittel zu verhindern. Ist der Kunde nach
Einschätzung durch die Bank in keiner Weise mehr kreditwürdig, dann kann es
freilich zur Zahlungseinstellung und damit zur Insolvenz des
Vollstreckungsschuldners kommen. Das ist jedoch keine schlechthin unangemessene
Folge der Pfändungsmaßnahme und zwingt nicht zu einer Einschränkung der
Einzelzwangsvollstreckung. Je nach Größe der Forderung, derentwegen vollstreckt
wird, kann schon darin, daß sie nicht beglichen wird, die Zahlungsunfähigkeit
zum Ausdruck kommen. Es erscheint nicht unter allen Umständen wünschenswert,
ein sich am Rande der Insolvenz bewegendes Unternehmen allein mit Hilfe eines
ständig debitorisch geführten Bankkontos am Leben zu erhalten und auf diese
Weise die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu verzögern.
g) Die Revisionserwiderung macht geltend, § 309 AO sehe die Möglichkeit
der Pfändung einer aus einer Kreditzusage entstehenden zukünftigen Forderung
nicht vor. Unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten müßten steuerbegründende
Tatbestände so bestimmt gefaßt sein, daß der Steuerpflichtige die auf ihn
entfallende Steuerlast im voraus berechnen könne. Der gleiche Grundsatz gelte
auch, wenn eine Steuerrechtsnorm wegen einer Steuerforderung in
Rechtsbeziehungen zwischen dem Steuerpflichtigen und einem Dritten eingreife.
Zumindest für diesen müßten Inhalt und Umfang der Eingriffsbefugnis klar
erkennbar sein. Dies sei hier nicht der Fall; das führe zur Unwirksamkeit der
Pfändungsmaßnahme.
Dieser Einwand ist schon deswegen verfehlt, weil im Rechtsstreit zwischen
dem Gläubiger und dem Drittschuldner die Existenz eines Pfändungsbeschlusses
oder einer Pfändungsverfügung hingenommen werden muß, sofern dieser
öffentlich-rechtliche Akt nicht nichtig ist (vgl. BGHZ 66, 79, 80 f).
Letzteres trifft für die Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Klägers
ersichtlich nicht zu. Sodann hat die Zwangsvollstreckungsbefugnis der
Finanzbehörden keine andere Qualität als die des Vollstreckungsgerichts.
Die für die Pfändung von zukünftigen Forderungen geltenden
Vollstreckungsvorschriften der Abgabenordnung stimmen inhaltlich mit denen
der Zivilprozeßordnung überein; nur das Vollstreckungsverfahren unterscheidet
sich von demjenigen der Zivilprozeßordnung dadurch, daß das Finanzamt als
Gläubiger selbst die Vollstreckungsmaßnahmen erlassen kann (BGHZ 49, 197, 199;
vgl. auch Tipke/Kruse, AO 9. Aufl. § 309 Rdnr. 3; Klein, AO 7. Aufl. § 309
Rdnr. 8 ff). Ob die gepfändete Forderung hinreichend bestimmt oder bestimmbar
ist, ist nicht anders zu beurteilen als bei der Pfändung nach der
Zivilprozeßordnung. Die insoweit geltenden Voraussetzungen sind hier, wie
oben ausgeführt worden ist, erfüllt. In die Rechte der Beklagten als
Drittschuldnerin ist nicht unangemessen eingegriffen worden, weil ihre
Rechtsstellung dem Kläger gegenüber keine schlechtere ist als gegenüber ihrem
Kreditnehmer. Den Nachteil, doppelt zahlen und deshalb beim
Vollstreckungsschuldner zusätzlich Rückgriff nehmen zu müssen, hätte sie
durch Beachtung der Pfändung vermeiden können.
II. :
Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben. Die Sache ist nicht
entscheidungsreif. Die Beklagte hat bestritten, mit dem Vollstreckungsschuldner
vereinbart zu haben, er könne über das Konto trotz fehlender Deckung verfügen.
Die bloße Duldung einer Kontoüberziehung gibt nach der Rechtsprechung des Senats
dem Kunden gegen die Bank keinen pfändbaren Anspruch auf
Kredit (BGHZ 93, 315, 325). Damit die insoweit erforderlichen tatsächlichen
Feststellungen getroffen werden können, ist die Sache an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen.
zum Anfang zu den Entscheidungsgründen zur Anmerkung zur Übersicht mit den Entscheidungen
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