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Dietmar Beining; Anwendbarkeit des Haustürwiderufgesetzes auf Bürgschaften?
NJ 1994, 362 ( Auszug )
Die Frage, ob das Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften
und ähnlichen Geschäften (HWiG) auch auf Bürgschaften anzuwenden
ist, ist seit dem Inkrafttreten des Gesetzes Gegenstand lebhafter Erörterung
in Literatur und Rechtsprechung (1).
Bis heute hat sich keine Ansicht in dieser Frage durchgesetzt.
Das HWiG ist vom bundesdeutschen Gesetzgeber
zum 1.5.1986 in Kraft gesetzt worden (BGBl. I S. 122). Es wurde zuvor über
zehn Jahre im Gesetzgebungsverfahren beraten (2).
Letztlich hat aber erst der Erlaß der Richtlinie
des Rates der EG zum Verbraucherschutz
85/577/EWG vom 31.12.1985 (3)
den bundesdeutschen Gesetzgeber zum Abschluß des Gesetzgebungsverfahrens
gebracht. Bei der Auslegung des HWiG ist daher, wenn sich nicht schon aus
dem Text eine Anwendung desselben auf die Bürgschaft ergibt, diese
Richtlinie mit heranzuziehen. Dort ist in Art. 1 formuliert: "Diese Richtlinie
gilt für Verträge, die zwischen einem Gewerbetreibenden, der
Waren liefert oder eine Dienstleistung erbringt, und einem Verbraucher
geschlossen werden ..........." Das HWiG formuliert hingegen in §
1: "Eine auf den Abschluß eines Vertrages über eine entgeltliche
Leistung gerichtete Willenserklärung, zu der der Erklärende (Kunde)
....."
Dies vorausgeschickt, sollen die folgenden Fragen untersucht werden, um zu einer Beurteilung der Anwendbarkeit des HWiG auf Bürgschaften zu gelangen:
1. Ist die Bürgschaft ein
Vertrag, der auf eine entgeltliche Leistung gerichtet ist (4)?
2. Soweit die erste Frage verneint
wird, ist das HWiG dann im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung auf
Bürgschaften anzuwenden (5)?
3. Falls auch die richtlinienkonforme
Auslegung keine Anwendung des HWiG auf Bürgschaften gebietet, ist
das Gesetz dann vielleicht aus anderen Gründen auch auf Bürgschaften
anzuwenden?
Die Bürgschaft, ein Vertrag, der auf eine entgeltliche Leistung gerichtet ist?
Der Streit über die Anwendbarkeit des HWiG auf die Bürgschaft brach hervor, weil der Gesetzgeber den Begriff "entgeltlich" als Tatbestandsmerkmal in das Gesetz einbrachte. Hätte der Gesetzgeber den Terminus "gegenseitiger Vertrag" benutzt, oder hätte er bestimmt, das Gesetz gelte für alle Verträge, in denen der Verbraucher eine Leistung zu erbringen habe, so wäre der Anwendungsbereich des Gesetzes besser abgegrenzt.
In der Literatur wird verschiedentlich die Auffassung vertreten, die Bürgschaft sei oftmals ein gegenseitiger (=entgeltlicher) Vertrag iSd §§ 320 ff BGB, oder könne es aufgrund einer kausalen Verknüpfung zwischen dem Versprechen der Bank auf Kreditgewährung an den Hauptschuldner und dem Bürgschaftsversprechen des Bürgen zumindest sein (6). Andere Stimmen meinen, die Bürgschaft sei zwar nicht unedingt ein gegenseitiger, im Sinne von synallagmatischer (§§ 320 ff. BGB), trotzdem aber ein "entgeltlicher" Vertrag (7), so daß das HWiG Anwendung finde.
Bydlinksi meint, der Verpflichtung des Kreditgerbers auf Kreditgewährung stehen im Gegenseitigkeitsverhältnis die verpflichtungen von Hauptschuldner und Bürgen gegenüber, denn nur wenn der Bürge bereit sei, eine Haftung zu übernehmen, sei der Gläubiger zur Kreditgewährung bereit >(8). Bydlinski übersieht dabei jedoch, daß der Gläubiger nur dem Hauptschuldner eine Leistung erbringt, nicht jedoch dem Bürgen. Das möglicherweise bestehende wirtschaftliche Interesse des Bürgen an der Kreditgewährung an den Hauptschuldner macht aus seiner Verpflichtung keine Gegenleistung. Die Rückzahlungsverpflichtung des Hauptschuldners selbst ist ja nicht einmal eine Gegenleistung iSd §§ 320 ff BGB (9). (Gegeleistung ist ja nur die Zinszahlung des Hauptschuldners); wie kann da anzunehmen sein, daß das Eintreten eines dritten für diese Verpflichtung (die Bürgschaft) eine Gegenleistung ist? Der Hinweis Bydlinskis auf die "ganz herrschende Auslegung" des Begriffes "unentgeltliche Verfügung" in § 816 I S. 2 BGB unterstützt seine Argumentation auch nicht , denn dort stellt sich die Frage der Entgeltlichkeit aus der Sicht des Empfängers, also ob die Bank das Sicherungsgut unentgeltlich erlangt hat, während im HWiG sich die Frage der Entgeltlichkeit genau umgekehrt aus der Sicht des Verbrauchers stellt, also ob er Waren oder Dienstleistungen entgeltlich oder unentgeltlich bekommenhat. Selbstverständlich braucht der Verbraucher nicht vor Schenkunegn zu seinen Gunsten (10) geschützt zu werden, abgesehen davon, daß diese in der Realität kaum vorkommen dürften.
Kingsporn(11) sieht den ........ ........
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Jedenfalls ist die Bürgschaft im Regelfall somit -iSd HWiG- kein Vertrag, der auf eine entgeltliche Leistung gerichtet ist.
Ist das HWiG im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung auch auf Bürgschaften anzuwenden?
Der BGH (18)
und das LG Kleve (19)
haben Zweifel, ob der Wortlaut des §1 HWiG konform mit der EG-Richtlinie
85/577/EWG (20)
ist. Hauptargument ist in beiden Fällen der Umstand, daß in
den der Richtlinie vorangestellten Erwägungen des Rates, in denen
der Erlaß der Richtlinie gerechtfertigt wird ( "Präambel" )(21),
u.a. auch "einseitige Verpflichtungserklärungen" erwähnt werden
(22).
Während der BGH deshalb bei seiner Entscheidungsfindung den Begriff
"entgeltlich" iSd EG-Richtlinie "erweiternd auslegt" und selbst eine Meinung
darlegt, sieht sich das LG Kleve gewzungen, diese Frage gemäß
Art. 177 EWG-Vertrag dem EuGH
vorzulegen. ...............
.................................................
Nach alledem ergibt sich aus
der EG-Richtlinie 85/577/EWG nicht, daß
auch die Bürgschaft in ihrem Anwendungsbereich liegt. Es ist also
nicht gemeinschaftsrechtswidrig, wenn das HWiG die Bürgschaft nicht
in seinem Regelungsbereich einbezieht.
Anwendbarkeit des HWiG auf Bürgschaften aus anderen Gründen?
Dass die Bürgschaft kein Vertrag ist, der auf eine entgeltliche Leistung gerichtet ist, und daß auch das Gemeinschaftsrecht nicht dazu zwingt, den Anwendungsbereich des HWiG auf die Bürgschaft auszudehnen, bedeutet jedoch nicht, daß eine Anwendung des HWiG auf die Bürgschaft nicht geboten ist. An § 1 HWiG fällt auf, daß der Verbraucher, der für seine Leistung ein Entgelt (also z.B. Waren oder Dienstleistungen ) erhält, unter den Schutz des Gesetzes fällt, während derjenige Verbraucher, der seine Leistung unentgeltlich erbringt, schutzlos bleiben soll, obwohl er schutzwürdiger als derjenige ist, der seine Leistung entgeltlich erbringt (40). Ist dieser Umstand gerechtfertigt oder eine ( unbeabsichtigte ) Willkür des Gesetzgebers? Behandelt der Gesetzgeber wesentlich gleiche Tatbestände willkürlich, also ohne daß sich vernünftige Erwägungen finden lassen, die sich aus der Natur der Sache ergeben oder sonst wie einleuchtend sind (41), ungleich, so verstößt er gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 I GG. ........................................
................ Der Bürge genießt
mithin unabhängig davon, ob er sich nun unentgeltlich oder entgeltlich
verpflichtet hat, den Schutz des HWiG.
(2) Zur Entstehungsgeschichte des HWiG siehe Gilles, NJW 1986, 1131 (1135); Teske, ZIP 1986, 624 und Kappus, ebenda, jeweils m.w.N.
(3) Amtsblatt der EG Nr.L 372 v. 31.12.1985, dokumentiert bei Erman-Klingsporn als Anhang hinter § 9 HWiG.
(4) So z.B. Pfeiffer, aaO (Fn 1); Probst, JR 1992, 133 f; ders. JR 1992, 197 (198); Klingsporn, NJW 1991, 2259 (2260); ders. WM 1993, 829 (831); Bunte, aaO (Fn 1 ); Kappus, aaO ( Fn 1); BGH, NJW 1993, 1594 ( in"erweiternder Auslegung"); dagegen: OLG Köln, WM 1990, 1616; BGHZ 113, 287 = NJW 1991, 975; ...... ...... ..... .....
(5) So z.B. LG Kleve, NJW 1993, 472; BGH, NJW 1993, 1594; Schanbacher, aaO (Fn 1); Probst, JR 1992, 133( 135); Pfeiffer, aaO (Fn 1) .......... .............
(6) Pfeiffer, aaO( Fn 1), 3 ff; Bydlinski, aaO(Fn 1); Klingsporn, aaO (Fn 1), 2258; .......
(7) Probst, JR 1992, 133 (136); ders. JR 1992, 197 (197) ; ......
........ ,.................. ,......... .....
(8) Bydlinski, aaO (Fn 1).
(9) Allgem. Meinung, siehe nur Palandt-Putzo, Rn 2 Einf. § 607 BGB
(10) BGH, NJW 1993, 1594 (1595 re Sp. oben)
(11) Klingsporn, NJW 1991, 2259
(18) BGH, NJW 19993, 1594.
(19) LG KLeve, aaO ( Fn 1).
(20) AaO. ( Fn 3)
(21) [Text siehe bei Fn 3 ]
(22 Vergl. insoweit Schanbacher, aaO (Fn 1); 3264.
(40) So auch der BGH, NJW 1993, 1594 ( 1595 )
(41) BVerfGE 10, 234 ( 246 )
Ich liebe meine Frau Christine über alles in der Welt!