Homepage von   Dietmar Beining   Version 2019, 111
2019-03-03

www.gratis-besucherzaehler.de/

 

Ausgesuchte Urteile im Volltext oder in Auszügen
 

AAJ  Landgericht Köln meint, die Glaubens- und Gewissensfreiheit rechtfertige keine religiös motivierte Beschneidung; diese sei trotz der religiösen Motivation rechtswidrig

Landgericht Köln, 151 Ns 169/11, Urteil vom 7. Mai 2012 (mit Anm. Beining)

Die Glaubens- und Gewissensfreiheit rechtfertigt nicht die Beschneidung von Knaben. Im vorliegenden Fall wurde der Arzt lediglich wegen eines unvermeidbaren Verbotsirrtums (§ 17 S. 1 StGB) freigesprochen


Landgericht Köln

 

151 Ns 169/11

Verkündet am:
7. Mai 2012

 

URTEIL


Die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 21.09.2011 wird verworfen.

Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen.  

 

Gründe:

 

I.  Die Staatsanwaltschaft Köln wirft dem Angeklagten vor, am 04.11.2010 in Köln eine andere Person mittels eines gefährlichen Werkzeugs körperlich misshandelt und an der Gesundheit geschädigt zu haben (§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, Alternative 2 StGB):

Am 04.11.2010 führte der Angeklagte in seiner Praxis in der S-Straße in Köln unter örtlicher Betäubung die Beschneidung des zum Tatzeitpunkt vierjährigen K1 mittels eines Skalpells auf Wunsch von dessen Eltern durch, ohne dass für die Operation eine medizinische Indikation vorlag. Er vernähte die Wunden des Kindes mit vier Stichen und versorgte ihn bei einem Hausbesuch am Abend desselben Tages weiter. Am 06.11.2010 wurde das Kind von seiner Mutter in die Kindernotaufnahme der Universitätsklinik in Köln gebracht, um Nachblutungen zu behandeln. Die Blutungen wurden dort gestillt.

Das Amtsgericht Köln hat den Angeklagten mit Urteil vom 21.09.2011 (528 Ds 30/11) auf Kosten der Staatskasse freigesprochen. Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft Köln form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Das Rechtsmittel hatte im Ergebnis keinen Erfolg.

 

II.  Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft hat sich in tatsächlicher Hinsicht in der Hauptverhandlung bestätigt. Der Angeklagte hat das äußere Geschehen in vollem Umfange eingeräumt. Ergänzend hat die Kammer festgestellt, dass die Familie des Kindes dem islamischen Glauben angehört. Der Angeklagte führte die Beschneidung aus religiösen Gründen auf Wunsch der Eltern durch. Aufgrund des von der Kammer eingeholten Sachverständigengutachtens steht fest, dass der Angeklagte fachlich einwandfrei gearbeitet hat. Ein Behandlungsfehler liegt nicht vor. Außerdem besteht – so der Sachverständige – jedenfalls in Mitteleuropa keine Notwendigkeit Beschneidungen vorbeugend zur Gesundheitsvorsorge vorzunehmen.

 

 

III.  Der Angeklagte war aus rechtlichen Gründen freizusprechen.

Der äußere Tatbestand von § 223 Abs. 1 StGB ist erfüllt. Nicht erfüllt sind die Voraussetzungen von § 224 Abs. 1 Nr. 2, Alternative 2 StGB. Das Skalpell ist kein gefährliches Werkzeug im Sinne der Bestimmung, wenn es - wie hier - durch einen Arzt bestimmungsgemäß verwendet wird (vgl. BGH NJW 1978, 1206; NStZ 1987, 174).

Die aufgrund elterlicher Einwilligung aus religiösen Gründen von einem Arzt ordnungsgemäß durchgeführte Beschneidung eines nicht einwilligungsfähigen Knaben ist nicht unter dem Gesichtspunkt der sogenannten "Sozialadäquanz" vom Tatbestand ausgeschlossen. Die Entwicklung der gegenteiligen Auffassung durch Exner (Sozialadäquanz im Strafrecht - Zur Knabenbeschneidung, Berlin 2011, insbesondere Bl. 189 f.) überzeugt nicht. Die Eltern bzw. der Beschneider sollen demnach nicht über § 17 StGB entschuldigt sein. Der Veranlassung der Beschneidung durch die Eltern soll auch keine rechtfertigende Wirkung zukommen, da dem Recht der Eltern auf religiöse Kindererziehung in Abwägung zum Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und auf Selbstbestimmung kein Vorrang zukomme, so dass mit der Einwilligung in die Beschneidung ein Widerspruch zum Kindeswohl festzustellen sei. Gleichwohl soll der gegen das Kindeswohl verstoßende und nicht entschuldigte Vorgang sozial unauffällig, allgemein gebilligt und geschichtlich üblich und daher dem formellen Strafbarkeitsverdikt entzogen sein.

Nach richtiger Auffassung kommt der Sozialadäquanz neben dem Erfordernis tatbestandspezifischer Verhaltensmissbilligung keine selbstständige Bedeutung zu. Die Sozialadäquanz eines Verhaltens ist vielmehr lediglich die Kehrseite dessen, dass ein rechtliches Missbilligungsurteil nicht gefällt werden kann. Ihr kommt nicht die Funktion zu, ein vorhandenes Missbilligungsurteil aufzuheben (vgl. Freund in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., vor §§ 13 ff. Rn. 159; im Ergebnis ebenso: Fischer, StGB, 59. Aufl., § 223 Rn. 6 c, anders noch bis zur 55. Aufl., § 223 Rnr. 6 b; wie hier ferner: Herzberg, JZ 2009, 332 ff.; derselbe Medizinrecht 2012, 169 ff.; Putzke NJW 2008, 1568 ff.; Jerouschek NStZ 2008, 313 ff.; a.A. auch: Rohe JZ 2007, 801, 802 und Schwarz JZ 2008, 1125 ff.).

Die Handlung des Angeklagten war auch nicht durch Einwilligung gerechtfertigt. Eine Einwilligung des seinerzeit vierjährigen Kindes lag nicht vor und kam mangels hinreichender Verstandesreife auch nicht in Betracht. Eine Einwilligung der Eltern lag vor, vermochte indes die tatbestandsmäßige Körperverletzung nicht zu rechtfertigen.

Gemäß § 1627 Satz 1 BGB sind vom Sorgerecht nur Erziehungsmaßnahmen gedeckt, die dem Wohl des Kindes dienen. Nach wohl herrschender Auffassung in der Literatur (vgl. Schlehofer in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., vor §§ 32 ff. Rn. 43; Lenckner/Sternberg-Lieben in: Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., vor §§ 32 ff. Rn. 41; Jerouschek NStZ 2008, 313, 319; wohl auch Exner a.a.O.; Herzberg a.a.O.; Putzke a.a.O.) entspricht die Beschneidung des nicht einwilligungsfähigen Knaben weder unter dem Blickwinkel der Vermeidung einer Ausgrenzung innerhalb des jeweiligen religiös gesellschaftlichen Umfeldes noch unter dem des elterlichen Erziehungsrechts dem Wohl des Kindes. Die Grundrechte der Eltern aus Artikel 4 Abs. 1, 6 Abs. 2 GG werden ihrerseits durch das Grundrecht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung gemäß Artikel 2 Abs.1 und 2 Satz 1 GG begrenzt. Das Ergebnis folgt möglicherweise bereits aus Artikel 140 GG i.V.m. Artikel 136 Abs. 1 WRV, wonach die staatsbürgerlichen Rechte durch die Ausübung der Religionsfreiheit nicht beschränkt werden (so: Herzberg JZ 2009, 332, 337; derselbe Medizinrecht 2012, 169, 173). Jedenfalls zieht Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 GG selbst den Grundrechten der Eltern eine verfassungsimmanente Grenze. Bei der Abstimmung der betroffenen Grundrechte ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Die in der Beschneidung zur religiösen Erziehung liegende Verletzung der körperlichen Unversehrtheit ist, wenn sie denn erforderlich sein sollte, jedenfalls unangemessen. Das folgt aus der Wertung des § 1631 Abs. 2 Satz 1 BGB. Zudem wird der Körper des Kindes durch die Beschneidung dauerhaft und irreparabel verändert. Diese Veränderung läuft dem Interesse des Kindes später selbst über seine Religionszugehörigkeit entscheiden zu können zuwider. Umgekehrt wird das Erziehungsrecht der Eltern nicht unzumutbar beeinträchtigt, wenn sie gehalten sind abzuwarten, ob sich der Knabe später, wenn er mündig ist, selbst für die Beschneidung als sichtbares Zeichen der Zugehörigkeit zum Islam entscheidet (zu den Einzelheiten vgl.: Schlehofer a.a.O.; a.A. im Ergebnis Fischer, 59. Aufl., § 223 Rn. 6 c; inzident wohl auch: OLG Frankfurt NJW 2007, 3580; OVG Lüneburg NJW 2003, 3290; LG Frankenthal Medizinrecht 2005, 243, 244; ferner Rohe JZ 2007, 801, 802 jeweils ohne nähere Erörterung der Frage). Schwarz (JZ 2008, 1125, 1128) bewertet die Einwilligung unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Kriterien als rechtfertigend, er geht jedoch nur auf die Elternrechte aus Artikel 4 und 6 GG, nicht hingegen – was notwendig wäre - auf die eigenen Rechte des Kindes aus Artikel 2 GG ein. Seine Auffassung kann schon aus diesem Grunde nicht überzeugen.

 

Der Angeklagte handelte jedoch in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum und damit ohne Schuld (§ 17 Satz 1 StGB).

 

Der Angeklagte hat, das hat er in der Hauptverhandlung glaubhaft geschildert, subjektiv guten Gewissens gehandelt. Er ging fest davon aus, als frommem Muslim und fachkundigem Arzt sei ihm die Beschneidung des Knaben auf Wunsch der Eltern aus religiösen Gründen gestattet. Er nahm auch sicher an sein Handeln sei rechtmäßig.

Der Verbotsirrtum des Angeklagten war unvermeidbar. Zwar hat sich der Angeklagte nicht nach der Rechtslage erkundigt, das kann ihm hier indes nicht zum Nachteil gereichen. Die Einholung kundigen Rechtsrates hätte nämlich zu keinem eindeutigen Ergebnis geführt. Ein unvermeidbarer Verbotsirrtum wird bei ungeklärten Rechtsfragen angenommen, die in der Literatur nicht einheitlich beantwortet werden, insbesondere wenn die Rechtslage insgesamt sehr unklar ist (vgl. Joecks in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., § 17 Rn. 58; Vogel in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 17 Rn. 75; BGH NJW 1976, 1949, 1950 zum gewohnheitsrechtlichen Züchtigungsrecht des Lehrers bezogen auf den Zeitraum 1971/1972). So liegt der Fall hier. Die Frage der Rechtmäßigkeit von Knabenbeschneidungen aufgrund Einwilligung der Eltern wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet. Es liegen, wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, Gerichtsentscheidungen vor, die, wenn auch ohne nähere Erörterung der wesentlichen Fragen, inzident von der Zulässigkeit fachgerechter, von einem Arzt ausgeführter Beschneidungen ausgehen, ferner Literaturstimmen, die sicher nicht unvertretbar die Frage anders als die Kammer beantworten.

 

IV.  Der Verbotsirrtum des Angeklagten war unvermeidbar. Zwar hat sich der Angeklagte nicht nach der Rechtslage erkundigt, das kann ihm hier indes nicht zum Nachteil gereichen. Die Einholung kundigen Rechtsrates hätte nämlich zu keinem eindeutigen Ergebnis geführt. Ein unvermeidbarer Verbotsirrtum wird bei ungeklärten Rechtsfragen angenommen, die in der Literatur nicht einheitlich beantwortet werden, insbesondere wenn die Rechtslage insgesamt sehr unklar ist (vgl. Joecks in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., § 17 Rn. 58; Vogel in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 17 Rn. 75; BGH NJW 1976, 1949, 1950 zum gewohnheitsrechtlichen Züchtigungsrecht des Lehrers bezogen auf den Zeitraum 1971/1972). So liegt der Fall hier. Die Frage der Rechtmäßigkeit von Knabenbeschneidungen aufgrund Einwilligung der Eltern wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet. Es liegen, wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, Gerichtsentscheidungen vor, die, wenn auch ohne nähere Erörterung der wesentlichen Fragen, inzident von der Zulässigkeit fachgerechter, von einem Arzt ausgeführter Beschneidungen ausgehen, ferner Literaturstimmen, die sicher nicht unvertretbar die Frage anders als die Kammer beantworten.


Anmerkung

Obige Entscheidung verkennt den Umfang der Glaubens-und Gewissensfreiheit und ist, soweit sie sich auf die Beschneidung von Juden bezieht, zutiefst antisemitisch. Die Beschneidung (von Knaben) ist vom obersten Souverän, dem Schöpfer, GOTT, den Angehörigen des Volkes Israel befohlen worden. (1. Mo. 17, 9-14) und somit für alle Angehörigen des  Volkes Israel  verbindlich, es sei denn, dieselben würden das Landgericht Köln, den Gesetzgeber des (deutschen) Staates oder sonst wen über GOTT stellen, was natürlich von keinem (gläubigen) Juden verlangt werden kann. [Für (gläubige) Christen oder Moslems gilt dies entsprechend.] Die Beschneidung drückt somit die Zugehörigkeit eines Menschen zum Volke Israel im Bunde mit seinem Gott aus. Verbietet der Staat die Beschneidung, verlangt er somit die Abschneidung desjenigen, gegen den sich das Verbot richtet, von seinem Volke und somit auch von seinem Gott. Soweit die Abschneidung eines Menschen vom Volke Israel mit seinem Gott verlangt wird, ist somit dieses Verlangen zutiefst antisemitisch, unabhängig davon, ob dies demjenigen, der dies verlangt, bewusst ist, oder aufgrund seiner beschränkten Sichtweise nicht; auch ein unbewusster Antisemitismus, ist und bleibt ein Antisemitismus. Der Staat (jedenfalls das Landgericht Köln) überhöht sich dabei aber auch und stellt sich somit über dem obersten Souverän und meint selbstherrlich, er wisse alles besser als GOTT! Diese Rechtsprechung macht Deutschland wieder einmal zum einzigen Land auf der Welt, in dem Juden nicht leben können. Ich unterstelle mal zu Gunsten der Richter, dass ihnen dieser Umstand bei der Entscheidungsfindung  nicht   bewußt war.

Der deutsche Staat, der übrigens nicht, wie der französische oder türkische, laïzistisch ist, hat zwar das Recht, seinen Bürgen zu erlauben, nicht an GOTT zu glauben; er hat sogar das Recht, seinen Bürgern zu erlauben, GOTTES Geboten zuwider zu handeln. Dies ist Ausfluss der Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art. 4 I,II GG), er darf jedoch   nicht   von seinen Bürgern  verlangen, Gottes Geboten zuwider zu handeln. Dies ist ebenfalls Ausfluss der Glaubens- und Gewissensfreiheit. Der Staat hat nicht das Recht seine Bürger zu dem irrigen Glauben zu verpflichten, der Staat wisse alles besser als GOTT; oder seine Normen gebührten, soweit staatliche Vorschriften und Gottes Gebote einander widersprechen  in jedem Fall  der Vorrang.

Dass Paulus ca. 3000 Jahre nachdem Mose die Gebote von GOTT für das Volk Israel empfangen hat, das Beschneidungsgebot relativiert hat (Rö; 2, 25-29. 1. Kor; 7, 19 u.a.), ändert daran nichts, denn seine Ausführungen gelten nur für Christen, unabhängig davon, zu welchem Volk sie gehören. Wer nicht an Christus glaubt, wie unter anderem die Angehörigen des mosaischen Glaubens, mag sich irren,  darf   jedoch nicht unter Berufung auf die Ausführungen in den Paulusbriefen die Beschneidung verweigern. Er   muss   sie also (an seinem Kind) durchführen lassen, um nicht Gottes Geboten zuwider zu handeln. Der Staat darf dieses Gebot eines höheren Souveräns keinesfalls pönalisieren.

Obige Ausführungen gelten für die Bürger muslimischen Glaubens, die das Verfahren vor dem LG Köln betroffen hat, entsprechend. Auch diese dürfen nicht verpflichtet werden, zum „Wohle des Staates“ Gottes Geboten zuwider zu handeln. Dass der eine oder andere Richter oder sonstige Entscheidungsträger vielleicht nicht an Gott glauben mag, ist sein gutes Recht, (Glaubensfreiheit) er darf aber nicht von den Menschen dieses Staates verlangen, ebenfalls nicht an GOTT zu glauben, oder zumindest beim tagtäglichen Handelen, Gottes Wille dem des Staates unterzuordnen. Dieses Verlangen widerspräche, wie ausgeführt, der Glaubens- und Gewissensfreiheit.


zur Homepage                 zur Seite mit dem Entscheidungsverzeichnis