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2019-03-02
Ausgewählte Urteile im Volltext oder in Auszügen
AAH
Kein Umgangsrecht für geschiedenen Ehegatten mit dem gemeinsamen Hund
Hund ist wie eine Sache anzusehen
OLG Hamm Beschluss I-10 WF 240/10 vom 2010-11-19 [mit Anm. Beining]
1. Instanz: AG Dortmund 106 F 4004/10
I-10 WF 240/10
AG Dortmund 106 F 4004/10
vom 19. November 2010
....................
beschlossen:
Das Beschwerdeverfahren wird von dem Einzelrichter auf den Senat übertragen.
Die Beschwerde der Antragstellerin vom 16.09.2010 gegen den die Verfahrenskostenhilfe versagenden Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Dortmund vom 17.08.2010 wird zurückgewiesen.
I.
Die Beteiligten sind voneinander getrennt lebende Ehegatten. Der während der Ehe angeschaffte Hund hält sich vereinbarungsgemäß bei dem Antragsgegner auf. Die Antragstellerin begehrt mit ihrem Antrag vom 21.07.2010 die Einräumung des Rechts, den gemeinsamen Hund Z, geboren am 10.02.2008, in der Woche jeweils dienstags und freitags in der Zeit von 16:30 Uhr bis 20:30 Uhr zu nutzen.
Das Amtsgericht – Familiengericht – Dortmund hat den Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe mit Beschluss vom 17.08.2010 zurückgewiesen, weil für die begehrte Umgangs- bzw. Nutzungsregelung keine rechtliche Grundlage bestehe.
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer form- und fristgerecht bei Gericht eingegangenen sofortigen Beschwerde, der das Familiengericht nicht abgeholfen hat. Sie meint, als Miteigentümerin des Hundes ein Nutzungsrecht zu haben.
Der Antragsgegner verteidigt den angefochtenen Beschluss.
II.
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist nicht begründet. Zu Recht hat das Familiengericht den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zurückgewiesen, weil die Rechtsverfolgung der Antragstellerin keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§§ 76 Abs. 1 FamFG, 114 ZPO):
1. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf eine zeitlich begrenzte Nutzungsregelung hinsichtlich des Hundes aus § 1361a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB.
a) Nach der genannten Vorschrift kann das Familiengericht die Verteilung von Haushaltsgegenständen während der Dauer des Getrenntlebens der Ehegatten regeln.
Vom Hausrat sind alle beweglichen Sachen erfasst, die nach den Lebensverhältnissen der Eheleute üblicherweise der Einrichtung der Wohnung, der Hauswirtschaft und dem Zusammenleben der Familie, d.h. der gemeinsamen Lebensführung zu dienen bestimmt sind (vgl. OLG Celle, NJW-RR 2009, 1306, 1307; FamRZ 2009, 1911; Palandt-Brudermüller, Kommentar zum BGB, 69. Auflage 2010, § 1361a BGB Rn 2 m.w.N.; Voppel, in: Staudinger, Kommentar zum BGB, Neubearbeitung 2007, § 1361a BGB Rn 8). Nach der wohl überwiegenden Rechtsprechung und Literatur gehören auch Tiere zum Hausrat (vgl. OLG Schleswig, NJW 1998, 3127). Auch wenn Tiere keine Sachen sind (§ 90 a BGB), werden die Regelungen zur vorläufigen (§ 1361 a BGB) oder endgültigen Hausratsverteilung zumindest analog angewendet (vgl. OLG Celle, NJW-RR 2009, 1306, 1307 betreffend mehrere Papageien; OLG Bamberg, FamRZ 2004, 559 betreffend einen Hund; OLG Naumburg FamRZ 2001, 481 betreffend mehrere Pferde; OLG Schleswig NJW 1998, 3127 betreffend einen Pudel; OLG Zweibrücken FamRZ 1998, 1432; Götz, in: Johannsen/Henrich, Kommentar zum Familienrecht, 5. Auflage 2010, § 1361a BGB Rn 20). Jedenfalls kann für Haustiere eine sinngemäße Anwendung des § 1361a BGB angezeigt sein (vgl. Palandt-Brudermüller, a.a.O., § 1361a BGB Rn 10).
b) Es kann dahinstehen, ob § 1361a BGB im vorliegenden Fall überhaupt Anwendung findet. Vorliegend begehrt die Antragstellerin nicht die Zuweisung des Hundes an sich selbst für die Dauer der Trennung. Sie ist vielmehr damit einverstanden, dass sich der Hund während der überwiegenden Zeit bei dem Antragsgegner aufhält. Sie begehrt nur die Nutzung für wenige Stunden in der Woche. Sinn und Zweck des Hausratsteilungsverfahrens ist es jedoch, dem antragstellenden Ehegatten die eigene Nutzung des Hausrats für seine Lebensbedürfnisse zu ermöglichen und eine Neuanschaffung von Hausratsgegenständen zu vermeiden (vgl. OLG Karlsruhe, FamRZ 1999, 1087). Mit diesem Gesetzeszweck ist das Begehren der Antragstellerin nicht vereinbar.
2. Der Antragstellerin steht auch kein Umgangsrecht mit dem Hund zu:
Einen solchen Anspruch auf ein Umgangsrecht mit dem Hund, der beim früheren Partner verblieben ist, besteht nicht (vgl. OLG Bamberg, MDR 2004, 37; OLG Schleswig , NJW 1998, 3127; Götz, in: Johannsen/Henrich, a.a.O., § 1361a BGB Rn 20; Seier in: jurisPK-BGB, 5. Auflage 2010, § 1361a BGB Rn 24; a.A.: AG Bad Mergentheim, NJW 1997, 3033f). Die Vorschrift des § 1361a BGB beinhaltet aus den genannten Gründen kein Umgangsrecht. Eine Analogie zu anderen gesetzlichen Umgangsregelungen verbietet sich. Insbesondere § 1684 Abs. 1 BGB ist zugeschnitten auf ein am Wohl eines Kindes orientiertes Umgangsrecht und dient nicht in erster Linie der Befriedigung emotionaler Bedürfnisse des umgangsberechtigten Elternteils, um die es im Verhältnis von zwei sich trennenden Partnern zu einem gemeinsam gehaltenen Hund geht; insoweit gelten gemäß § 90a BGB die Bestimmungen der Hausratsteilung, die nur eine Zuweisung, aber keine Umgangsregelung vorsehen (vgl. im Einzelnen: Rauscher, in: Staudinger, Kommentar zum BGB, Neubearbeitung 2006, § 1684 BGB Rn 56 m.w.N.)
3. Ein Anspruch auf Teilhabe an dem Gegenstand aus § 743 Abs. 2 BGB, § 744 Abs. 2 bzw. § 745 Abs. 2 BGB kommt ebenfalls nicht in Betracht.
Es kann dahinstehen, ob der Hund im Miteigentum der beteiligten Ehegatten steht. Es kann ferner offen bleiben, ob nach den genannten Vorschriften ein zeitlich begrenztes Nutzungsrecht an dem Tier oder nur eine Zuweisung des Hundes an einen Berechtigten erfolgen kann (vgl. dazu: AG Walsrode, NJW-RR 2004, 365: zur Anwendbarkeit der §§ 743ff BGB bei einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft). Denn die genannten Vorschriften sind bei getrennt lebenden Ehegatten nicht anwendbar. Die Regelungen der Hausratsteilung – hier: § 1361a BGB – haben Vorrang vor den allgemeinen gesetzlichen Regelungen; sie schließen – abgesehen von Besitzschutzansprüchen – allgemeine Regelungen aus (vgl. Götz, in: Johannsen/Henrich, a.a.O., § 1361a BGB Rn 22, 43; Palandt-Brudermüller, a.a.O., § 1361b BGB Rn 12 für Ansprüche aus § 985 BGB). Bezweckt wird aus den bereits genannten Gründen die Zuweisung des Hausrats zur eigenen Nutzung des begünstigten Ehegatten; mit diesem Zweck ist nicht vereinbar, neben einer Zuweisung eines Hausratsgegenstandes an einen Ehegatten dem anderen Ehegatten – auf welcher gesetzlichen Grundlage auch immer – ein zeitlich befristetes Nutzungsrecht einzuräumen.
Dabei bleibt den Beteiligten unbenommen, im Interesse des Tieres eine andere Vereinbarung zu treffen. Soweit sich der Antragsgegner einer solchen Vereinbarung bislang verschließt, scheinen nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand dafür – abgesehen von den formalen Gesichtspunkten – keine nachvollziehbaren Gründe vorhanden zu sein.
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§§ 76 Abs. 1 FamFG, 127 Abs. 4 ZPO)
Anmerkung von Dr.Dietmar Beining
Obige Entscheidung ist abzulehnen. Das Gericht verkennt die Wertentscheidung des Gesetzgebers bei der Einfügung des § 90a in das BGB indem es den Hund der Parteien als Hausrat-„Gegenstand“ verklärt und sachfremde Motive unterstellt. Denn beim Umgang des geschiedenen Ehegatten mit dem Hund geht es nicht um die hier ohne Begründung unterstellte Befriedigung emotionaler Bedürfnisse des Umgangsberechtigten, sondern um das Wohl des Hundes, der regelmäßig unter der Trennung der Eheleute genauso leidet, wie ein Kind in der selben Situation. Wahrscheinlich haben die Mitglieder des erkennenden Senats, soweit sie die Entscheidung mittragen, selber keinen Hund. Dies sei zu ihren Gunsten mal unterstellt. Es ist daher überhaupt nicht einzusehen, weshalb sich eine Analogie zu den Vorschriften betreffend den Umgang mit Kindern verbietet. Auch dort geht es, wie beim Umgang mit dem Hund, nicht um die der Befriedigung emotionaler Bedürfnisse des umgangsberechtigten Elternteils, sondern um das Wohl des Kindes. Nur derjenige, der einen Hund entgegen der Intention des Gesetzgebers zu § 90a BGB als bloßen „Gegenstand“ ansieht, kann annehmen das es kein Wohl eines Hundes gibt, welches im Rahmen richterlicher Entscheidungen im Zusammenhang mit der Trennung/Scheidung einer Ehe mit zu berücksichtigen ist.