Stand: 2019-01-11; Version 1.43

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Dietmar Beining

Verzugszinsen von Verzugszinsen?  NJ 1993, 544 ( Auszug )

  Mit der Entscheidung vom 9.2.1993 -XI ZR 88/92- hat der BGH (1) den Umfang des Schadensersatzes, den die Kreditwirtschaft von ihren Schuldnern im Verzugsfall verlangen kann, in einer Weise ausgeweitet, die im Gesetz keine Stütze findet.

Die klagende Bank nahm den Beklagten als Bürgen in Anspruch. Dieser hatte sich für die Forderungen der Klägerin gegenüber einer GmbH & Co. KG aus einem Betriebsmittelkredit verbürgt. Nach Kündigung des Kontokorrentkredits (2) berechnete die Klägerin ihre Forderungen derart, daß sie die aufgelaufenen Verzugszinsen am Jahresende dem Kapital zugeschlagen und im Folgejahr zusammen mit dem Kapital weiterverzinst hat.

  Die Frage, ob unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes Verzugszinsen auf rückständige (vertragliche) Zinsen zu zahlen sind, ist bereits seit langem geklärt. Nach § 289 Satz 2 BGB kann der Gläubiger dies vom Schuldner verlangen(3).

   Der BGH hatte nun erstmals darüber zu entscheiden, ob Verzugszinsen unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes nach den § 284 ff BGB nicht nur auf (vertraglich geschuldete) Zinsen, sondern auch auf (gesetzliche) Verzugszinsen zu entrichten sind. Der BGH hat diese Frage bejaht.
   Diese Rechtsprechung ist abzulehnen. Sie führt praktisch zu einer nicht vorherberechenbaren und im Belieben des Gläubigers liegenden Ausweitung des Schadenersatzumfanges. Da aber die §§ 286ff BGB dem Geschädigten nur einen Anspruch auf Ersatz eines wirklich entstandenen Schaden gewähren, setzen sie zugleich Ansprüchen auf Verzugszinseszinsen Grenzen, die der BGH überschritten hat.

Problemabgrenzung

  Die hier zu untersuchende Frage berührt nur mittelbar das Zinseszinsverbot des § 248 BGB.  § 248 BGB erklärt einen Vertrag mit dem Inhalt, daß fällige (aus Vertrag oder Gesetz (4) zu zahlende) Zinsen wieder Zinsen tragen sollen, für nichtig.  Dieses sog. Verbot des Anatozismus ist nach § 248 I BGB zu Lasten der Sparkassen, Kreditanstalten und Banken, sowie nach § 355 HGB für das handelsrechtliche Kontokorent eingeschränkt. So herrscht auch weitgehend Einigkeit darüber, daß eine Vereinbarung, durch die ein Kreditnehmer sich bei Abschluß eines Darlehensvertrages verpflichtet, im Verzugsfall auch auf rückständige Zinsanteile Verzugszinsen zu entrichten, eine Pflicht, Verzugszinseszinsen zu zahlen, nicht begründet (5). Dies ändert aber nichts daran, daß ein Schuldner, der wegen rückständiger Zinsen (durch Vertreichenlassen des kalendermäßig bestimmten Zahlungstermins oder durch Mahnung - § 284 BGB- ) in Verzug gerät, dem Gläubiger nach den Vorschriften der §§ 286 ff. BGB Schadenersatz zu leisten hat.  Allerdings schließt § 289 Satz 1 BGB die Anwendung des § 288 I BGB auf die Geldschuld "Zins" aus (6). § 288 BGB sagt zwar, daß eine Geldschuld zu verzinsen sei; § 289 Satz 1 BGB nimmt diese Aussage für die Geldschuld "Zins" wieder zurück. § 289 Satz 2 BGB stellt dagegen klar, daß das Recht des Gläubigers, den Verzugsschaden (§ 286 BGB) erstgattet zu bekommen, vom Zinseszinsverbot nach § 289 S. 1 BGB unberührt bleibt. Daher darf der Gläubiger im Ergebnis zwar nicht einfach die rückständigen Zinsen mit 4 % (§ 288 I S. 1 BGB) oder gar mit dem für das Darlehen oder in einer AGB- Verzugszinsklausel vereinbarten Zinssatz ( § 288 I S.2 BGB) weiterverzinsen (........), wohl darf darf der Gläubiger vom Schuldner aber verlangen, daß dieser ihm seinen durch den Verzug ( tatsächlich ) entstandenen Schaden ersetzt ( § 286 BGB)

§ 289 S. 2 BGB hat somit lediglich die Funktion klarzustellen, daß § 289 S. 1 BGB dem Gläubiger diesen Anspruch nicht nehmen will. § 289 S. 2 BGB ist somit keine Anspruchsgrundlage für Verzugszinseszinsen.

Auseinandersetzung mit dem BGH-Urteil vom 9.2.1993

  Der dem BGH-Urteil zugrundeiegende Sachverhalt warf die Frage auf, ob die §§ 289 Satz 2, 286 BGB nicht nur eine Verzinsung von Zinsen, sondern auch eine Verzinsung von Verzugszinsen zulassen. Zinsen sind eine vertraglich geschuldete Geldschuld, während Verzugszinsen von Gesetzes (§§ 286 ff. BGB) wegen geschuldet werden. Untersuch man die Zulässigkeit der Verzinsung von Verzugszinsen, so stellt sich mithin die Frage, ob § 289 Satz 2 BGB nur die Verzugsverzinsung von vertraglich geschuldeten(10), oder auch die Verzugsverzinsung von gesetzlichen Zinsen erlaubt (11).
Nun hat der Schuldner Verzugszinsen dafür zu zahlen, daß er mit der Zahlung eines Geldbetrages (dies kann auch ein Zins sein), in Verzug geraten ist (§§ 286, 288 BGB). Der Schuldner ist in Verzug geraten, weil dieser Geldbetrag einmal fällig und der Leistungstermin kalendermäßig bestimmt oder der Schuldner vom Gläubiger gemahnt worden war (§ 284 BGB). Entgegen § 288 I BGB, der Verzugszinsen auch ohne konkreten Schaden zuspricht (12), sind gemäß § 289 S. 2 BGB Verzugszinsen auf Zinsen nur dann zu zahlen, wenn dem Gläubiger tatsächlich ein Schaden entstanden ist(13). Die Verzugszinsen hat der Schuldner dem Gläubiger nun solange und soweit fortzuentrichten, wie er mit der Tilgung seiner Schuld im verzug ist. Da&szig; ein Schuldner auch mit der Tilgung von Verzuszinsen in Verzug gerät, kann - wie in dem der BGH- Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt- daran liegen, daß der Gläubiger diese Verzugszinsen eigenmächtig (14) kapitalisiert und ............... ...........

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Ergebnis

  Die Anmahnung von Verzugszinsen in subjektiv festgelegten Zeitabschnitten durch den Gläubiger führt zu einer Schadenshöhe, die nicht objektiv, sondern willkürlich, durch die Wahl der Zeitintervalle zwischen den Mahnungen bestimmt ist. Da das Gesetz dem Gläubiger jedoch nur den tatsächlich entstandenen Schaden ersetzen will, hat es mit § 289 Satz 1 BGB jede Möglichkeit ausgeschlossen, durch die In-Verzug-Setzung des Schuldners bezüglich rückständiger Verzugszinsen den Schadenersatzanspruch nach oben hin zu manipulieren. Auf diese Art sichert § 289 Satz 1 BGB das Gleichgewicht zwischen Gläubiger und Schuldner im Verzug.



(1) NJW 1993, 1260 = NJ 1993, 334 ( nur Leitsatz ).

(3) RGZ 152, 166 ( 174); KG und OLG Düsseldorf, WuB I E I 2/3.85 = WM 1985, 15 u.17; OLG Köln, NJW 1966, 2217 ( 2218 ); BGH, NJW-RR 1986; 205 (207); BGH, NJW 1988, 1967 ( 1969); insoweit noch offen: BGH, NJW 1986, 376; Scholz, BB 1977, 1425 ( 1427); Canaris, NJW 1978, 1891 (1897); ders. in ZIP 1980, 709 (719 ); Staudinger-Löwisch, Rn 6 zu § 289 BGB; ders. in NJW 1978, 26; Lammel, BB 1980, Beil. 8/80, S.18; Palandt/  Heinrichs, Rn. 2 zu Paragraph 289 BGB; Schmelz/ Klute, ZIP 1989, 1505 (1520); K. Schmidt, JZ 1982, 829 (833); BGB-RGRK-Alff,Rn 2 zu § 289 BGB; Dubischar in BGB-Alternativ-Komm., Rn1 zu § 289; Soergel-Wiedemann, Rn 37 zu § 289;  ..........  BGB Reifner, NJW 1992, 337 ( 343 ); ders. in Handbuch des KreditR, München 1991, Rn 162.

(2)Im laufenden Kontokorrent gint es kein Zinseszinsverbot (§ 355 I HGB).

(4) Vergl. Palandt-Heinrichs, Rn 1 zu § 248 BGB.

(5) U.v.a: BGH, NJW 1983, 1420 (1421); BGH, NJW 1986, 376 (377); BGH, NJW -RR 1986,205 (206); Lammel, BB Beilage 8/1980, S. 18 mwNb. Fn 215; a.A.: OLG Düsseldorf, WuB I E I 2/3.85= WM 1985, 17.

(6) Vergl. Palandt-Heinrichs, Rn. 1 zu 3 289 BGB; Staudinger-Löwisch, Rn. 1 zu § 289; .......  ........  ........

(10) Vergl. Reifner, NJW 1992, 337 (393); Esser/E. Schmidt, SchuldR AT/2, §28 I 2.2; Belke, BB 1968, 1219 (1225); Schmelz/ Klute, ZIP 1989, 1505 ( 1520); Gruber, NJW 1992, 2274; AG Hamburg, MDR 1965, 381.

(11) Vergl. Bülow, NJW, 1992, 2049 (2051); BGH, NJW 1993, 1260; noch weitergehender, jedoch ohne dies näher  zu begründen: Dubischar in BGB-Alternativ-Komm., Rn 1 zu §289 BGB: § 289 verbiete nur die Verzinsung des Anspruchs aus § 288 I Satz 1 BGB.

(12) Statt vieler: BGB-RGRK-Alff, Rn. 1 zu § 288 BGB

(13) Verg. die Nachweise bei Fn. 4



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