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Dietmar Beining
Verzugszinsen von Verzugszinsen? NJ 1993, 544 ( Auszug )
Mit der Entscheidung vom 9.2.1993 -XI ZR 88/92- hat der BGH (1) den Umfang des Schadensersatzes, den die Kreditwirtschaft von ihren Schuldnern im Verzugsfall verlangen kann, in einer Weise ausgeweitet, die im Gesetz keine Stütze findet.
Die klagende Bank nahm den Beklagten als Bürgen in Anspruch. Dieser hatte sich für die Forderungen der Klägerin gegenüber einer GmbH & Co. KG aus einem Betriebsmittelkredit verbürgt. Nach Kündigung des Kontokorrentkredits (2) berechnete die Klägerin ihre Forderungen derart, daß sie die aufgelaufenen Verzugszinsen am Jahresende dem Kapital zugeschlagen und im Folgejahr zusammen mit dem Kapital weiterverzinst hat.
Die Frage, ob unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes Verzugszinsen auf rückständige (vertragliche) Zinsen zu zahlen sind, ist bereits seit langem geklärt. Nach § 289 Satz 2 BGB kann der Gläubiger dies vom Schuldner verlangen(3).
Der BGH hatte nun erstmals darüber
zu entscheiden, ob Verzugszinsen unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes
nach den § 284 ff BGB nicht nur auf (vertraglich geschuldete) Zinsen,
sondern auch auf (gesetzliche) Verzugszinsen zu entrichten
sind. Der BGH hat diese Frage bejaht.
Diese Rechtsprechung ist abzulehnen.
Sie führt praktisch zu einer nicht vorherberechenbaren und im Belieben
des Gläubigers liegenden Ausweitung des Schadenersatzumfanges. Da
aber die §§ 286ff BGB dem Geschädigten nur einen Anspruch
auf Ersatz eines wirklich entstandenen Schaden gewähren, setzen sie
zugleich Ansprüchen auf Verzugszinseszinsen
Grenzen, die der BGH überschritten hat.
Problemabgrenzung
Die hier zu untersuchende Frage berührt nur mittelbar das Zinseszinsverbot des § 248 BGB. § 248 BGB erklärt einen Vertrag mit dem Inhalt, daß fällige (aus Vertrag oder Gesetz (4) zu zahlende) Zinsen wieder Zinsen tragen sollen, für nichtig. Dieses sog. Verbot des Anatozismus ist nach § 248 I BGB zu Lasten der Sparkassen, Kreditanstalten und Banken, sowie nach § 355 HGB für das handelsrechtliche Kontokorent eingeschränkt. So herrscht auch weitgehend Einigkeit darüber, daß eine Vereinbarung, durch die ein Kreditnehmer sich bei Abschluß eines Darlehensvertrages verpflichtet, im Verzugsfall auch auf rückständige Zinsanteile Verzugszinsen zu entrichten, eine Pflicht, Verzugszinseszinsen zu zahlen, nicht begründet (5). Dies ändert aber nichts daran, daß ein Schuldner, der wegen rückständiger Zinsen (durch Vertreichenlassen des kalendermäßig bestimmten Zahlungstermins oder durch Mahnung - § 284 BGB- ) in Verzug gerät, dem Gläubiger nach den Vorschriften der §§ 286 ff. BGB Schadenersatz zu leisten hat. Allerdings schließt § 289 Satz 1 BGB die Anwendung des § 288 I BGB auf die Geldschuld "Zins" aus (6). § 288 BGB sagt zwar, daß eine Geldschuld zu verzinsen sei; § 289 Satz 1 BGB nimmt diese Aussage für die Geldschuld "Zins" wieder zurück. § 289 Satz 2 BGB stellt dagegen klar, daß das Recht des Gläubigers, den Verzugsschaden (§ 286 BGB) erstgattet zu bekommen, vom Zinseszinsverbot nach § 289 S. 1 BGB unberührt bleibt. Daher darf der Gläubiger im Ergebnis zwar nicht einfach die rückständigen Zinsen mit 4 % (§ 288 I S. 1 BGB) oder gar mit dem für das Darlehen oder in einer AGB- Verzugszinsklausel vereinbarten Zinssatz ( § 288 I S.2 BGB) weiterverzinsen (........), wohl darf darf der Gläubiger vom Schuldner aber verlangen, daß dieser ihm seinen durch den Verzug ( tatsächlich ) entstandenen Schaden ersetzt ( § 286 BGB)
§ 289 S. 2 BGB hat somit lediglich die Funktion klarzustellen, daß § 289 S. 1 BGB dem Gläubiger diesen Anspruch nicht nehmen will. § 289 S. 2 BGB ist somit keine Anspruchsgrundlage für Verzugszinseszinsen.
Auseinandersetzung mit dem BGH-Urteil vom 9.2.1993
Der dem BGH-Urteil zugrundeiegende Sachverhalt warf die Frage
auf, ob die §§ 289 Satz 2, 286 BGB nicht nur eine Verzinsung
von Zinsen, sondern auch eine Verzinsung von Verzugszinsen zulassen. Zinsen
sind eine vertraglich geschuldete Geldschuld, während Verzugszinsen
von Gesetzes (§§ 286 ff. BGB) wegen geschuldet werden. Untersuch
man die Zulässigkeit der Verzinsung von Verzugszinsen, so stellt sich
mithin die Frage, ob § 289 Satz 2 BGB nur die Verzugsverzinsung von
vertraglich geschuldeten(10), oder auch die
Verzugsverzinsung von gesetzlichen Zinsen erlaubt (11).
Nun hat der Schuldner Verzugszinsen dafür zu zahlen, daß er mit der
Zahlung eines Geldbetrages (dies kann auch ein Zins sein), in Verzug
geraten ist (§§ 286, 288 BGB).
Der Schuldner ist in Verzug geraten, weil dieser Geldbetrag einmal
fällig und der Leistungstermin kalendermäßig bestimmt oder der
Schuldner vom Gläubiger gemahnt worden war (§ 284 BGB). Entgegen § 288
I BGB, der Verzugszinsen auch ohne konkreten Schaden zuspricht (12),
sind gemäß § 289 S. 2 BGB Verzugszinsen auf Zinsen nur dann zu zahlen,
wenn dem Gläubiger tatsächlich ein Schaden entstanden ist(13). Die
Verzugszinsen hat der Schuldner dem Gläubiger nun solange und soweit
fortzuentrichten, wie er mit der Tilgung seiner Schuld im verzug ist.
Da&szig; ein Schuldner auch mit der
Tilgung von Verzuszinsen in Verzug gerät, kann - wie in dem der BGH-
Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt- daran liegen, daß der
Gläubiger diese Verzugszinsen eigenmächtig (14) kapitalisiert und
............... ...........
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Ergebnis
Die Anmahnung von Verzugszinsen in subjektiv
festgelegten Zeitabschnitten durch den Gläubiger führt zu einer
Schadenshöhe, die nicht objektiv, sondern willkürlich, durch
die Wahl der Zeitintervalle zwischen den Mahnungen bestimmt ist. Da das
Gesetz dem Gläubiger jedoch nur den tatsächlich entstandenen
Schaden ersetzen will, hat es mit § 289 Satz 1 BGB jede Möglichkeit
ausgeschlossen, durch die In-Verzug-Setzung des Schuldners bezüglich
rückständiger Verzugszinsen den Schadenersatzanspruch nach oben
hin zu manipulieren. Auf diese Art sichert § 289 Satz 1 BGB das Gleichgewicht
zwischen Gläubiger und Schuldner im Verzug.
(3) RGZ 152, 166 ( 174); KG und OLG Düsseldorf, WuB I E I 2/3.85 = WM 1985, 15 u.17; OLG Köln, NJW 1966, 2217 ( 2218 ); BGH, NJW-RR 1986; 205 (207); BGH, NJW 1988, 1967 ( 1969); insoweit noch offen: BGH, NJW 1986, 376; Scholz, BB 1977, 1425 ( 1427); Canaris, NJW 1978, 1891 (1897); ders. in ZIP 1980, 709 (719 ); Staudinger-Löwisch, Rn 6 zu § 289 BGB; ders. in NJW 1978, 26; Lammel, BB 1980, Beil. 8/80, S.18; Palandt/ Heinrichs, Rn. 2 zu Paragraph 289 BGB; Schmelz/ Klute, ZIP 1989, 1505 (1520); K. Schmidt, JZ 1982, 829 (833); BGB-RGRK-Alff,Rn 2 zu § 289 BGB; Dubischar in BGB-Alternativ-Komm., Rn1 zu § 289; Soergel-Wiedemann, Rn 37 zu § 289; .......... BGB Reifner, NJW 1992, 337 ( 343 ); ders. in Handbuch des KreditR, München 1991, Rn 162.
(2)Im laufenden Kontokorrent gint es kein Zinseszinsverbot (§ 355 I HGB).
(4) Vergl. Palandt-Heinrichs, Rn 1 zu § 248 BGB.
(5) U.v.a: BGH, NJW 1983, 1420 (1421); BGH, NJW 1986, 376 (377); BGH, NJW -RR 1986,205 (206); Lammel, BB Beilage 8/1980, S. 18 mwNb. Fn 215; a.A.: OLG Düsseldorf, WuB I E I 2/3.85= WM 1985, 17.
(6) Vergl. Palandt-Heinrichs, Rn. 1 zu 3 289 BGB; Staudinger-Löwisch, Rn. 1 zu § 289; ....... ........ ........
(10) Vergl. Reifner, NJW 1992, 337 (393); Esser/E. Schmidt, SchuldR AT/2, §28 I 2.2; Belke, BB 1968, 1219 (1225); Schmelz/ Klute, ZIP 1989, 1505 ( 1520); Gruber, NJW 1992, 2274; AG Hamburg, MDR 1965, 381.
(11) Vergl. Bülow, NJW, 1992, 2049 (2051); BGH, NJW 1993, 1260; noch weitergehender, jedoch ohne dies näher zu begründen: Dubischar in BGB-Alternativ-Komm., Rn 1 zu §289 BGB: § 289 verbiete nur die Verzinsung des Anspruchs aus § 288 I Satz 1 BGB.
(12) Statt vieler: BGB-RGRK-Alff, Rn. 1 zu § 288 BGB
(13) Verg. die Nachweise bei Fn. 4
ACHTUNG: Zu Quellen zum "Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen" schauen Sie bitte in meinen Datenbanken
vergl 5Mo23:19
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