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Stand: 2019-03-21

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Ausgewählte Urteile im Volltext oder in Auszügen

AN    Regelwerk zum Neuen Markt bis zur Hauptsacheentscheidung nicht anzuwenden

    OLG Frankfurt am Main, 5 U 278/01 vom 2002-04-09


5 U 278/01
3/3 O 145/01 LG Frankfurt/M.

Verkündet am: 9. April 2002

 

 

OBERLANDESGERICHT  FRANKFURT  AM   MAIN

 

IM NAMEN DES VOLKES

 

URTEIL

 

 

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 9. April 2002 für Recht erkannt:

Auf die Berufungen der Verfügungsklägerinnen wird das am 19. Dezember 2001 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main abgeändert.

Der Verfügungsbeklagten wird unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihren Vorstandsmitgliedern, untersagt, 1. Abschnitt 2 Ziffer 2.1.5 Absatz 2 Nr. 2 des Regelwerks Neuer Markt (Stand: 1.10.2001) mit Wirkung

a) vor dem 30.9.2002 auf die Verfügungsklägerin zu 5), b) vor der erstinstanzlichen Entscheidung in dem jeweiligen Hauptsacherechtsstreit auf die übrigen Verfügungsklägerinnen anzuwenden; U 278/01

2. die zu Lasten der Verfügungsklägerinnen zu 1), 2), 4), 5) und 6) bereits getroffene Entscheidung über die Beendigung der Zulassung der Aktien zum Neuen Markt in Vollzug zu setzen.

Die Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Verfahrens beider Instanzen zu tragen.


Tatbestand

Die Verfügungsklägerinnen sind Emittenten, deren Aktien am Neuen Markt gehandelt werden. Die Verfügungsbeklagte hat den Neuen Markt in privatrechtlicher Form organisiert und hat hierfür das Regelwerk "Neuer Markt" (im folgenden nur: Regelwerk) aufgestellt, das sie seit seinem ersten Inkrafttreten im März 1997 mehrfach geändert hat.

In einer Presseerklärung vom 20.7.2001 kündigte die Verfügungsbeklagte an, zum 1.10.2001 das Regelwerk dahin ändern zu wollen, dass Unternehmen mit zu niedrigem Börsenkurs und zu niedriger Marktkapitalisierung aus dem Neuen Markt ausgeschlossen werden (sog.Penny-Stocks-Regelung). In einem Schreiben vom 21.9.2001 gab die Verfügungsbeklagte den Emittenten die geplanten Änderungen bekannt. Die hier interessierende Neuregelung, gegen deren Anwendung sich die Verfügungsklägerinnen im Eilverfahren zur Wehr setzen, hat in ihrer endgültigen Fassung, die die Verfügungsbeklagte zum 1.10.2001 in Kraft setzte, folgenden Wortlaut (Abschnitt 2 des Regelwerks):

2.1.5 Beendigung der Zulassung zum Neuen Markt (1) .....

(2) Die DBAG wird die Zulassung zum Neuen Markt beenden, 1...... 2. wenn der börsentägliche Durchschnittspreis der zugelassenen Aktien für die Dauer von 30 aufeinanderfolgenden Börsentagen weniger als 1 Euro pro Aktie beträgt und die Marktkapitalisierung 20 Mio. Euro unterschreitet, es sei denn, daß der börsentägliche Durchschnittspreis der zugelassenen Aktien innerhalb weiterer 90 Börsentage an mindestens 15 aufeinanderfolgenden Börsentagen mindestens 1 Euro und die Marktkapitalisierung mindestens 20 Mio. Euro beträgt.

In Ziffer 2.1.5 Abs. 3 ist vorgesehen, daß die Beendigung in den Fällen des Absatz 2 einen Monat nach Bekanntmachung der Entscheidung der Verfügungsbeklagten wirksam wird. In der letzten Woche des Monats März 2002 gab die Verfügungsbeklagte die Beendigung der Zulassung der Aktien der Verfügungsklägerinnen zu 1), 2) und 4) bis 6) auf der Grundlage der vorstehend zitierten Neuregelung bekannt. Die Verfügungsklägerinnen haben - überwiegend schon vor dem 1.10.2001 - Anträge auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung gestellt, um der Verfügungsbeklagten die Anwendung der neuen Ausschlussklausel auf sie - teils zeitlich begrenzt - untersagen zu lassen. Sie haben die Ansicht vertreten, die neue Regelung sei unwirksam, weil die Verfügungsbeklagte nicht berechtigt sei, das Regelwerk in dieser Weise einseitig zu ändern und weil die betreffende Klausel auch inhaltlich nicht angemessen sei. Die quantitativen Ausschlußkriterien - insbesondere die Grenze von 20 Mio. Euro für die Marktkapitalisierung - seien willkürlich gewählt. Außerdem lasse ihnen die kurzfristige Inkraftsetzung zu wenig Spielraum, um wirksame Maßnahmen gegen einen drohenden Ausschluß zu ergreifen.

Die Verfügungsbeklagte hat gemeint, die Anträge seien unzulässig und auch in der Sache nicht begründet. Sie sei zur einseitigen Änderung des Regelwerks berechtigt. Das ergebe sich aus §§ 78 BörsG, 66a BörsO. Außerdem hätten ihr die Verfügungsklägerinnen bei der Zulassung zum Neuen Markt jeweils durch gesonderte Erklärungen die Änderungsbefugnis vertraglich eingeräumt. Das habe im Laufe der Zeit seine Bestätigung dadurch gefunden, daß die Verfügungsklägerinnen zahlreichen Änderungen nicht widersprochen hätten. Ferner lasse sich ihre Änderungsbefugnis aus einem entsprechenden Vorbehalt in Abschnitt 1 Ziffer 2 des Regelwerks sowie aus einer interessengerechten - hilfsweise einer ergänzenden - Vertragsauslegung herleiten. Des weiteren sei sie berechtigt, die mit den Verfügungsklägerinnen abgeschlossenen Verträge über die Zulassung zur Notierung am Neuen Markt ordentlich zu kündigen oder auch durch eine fristlose Kündigung zu beenden. In Anbetracht dieses Rechts seien die in der Neuregelung vorgesehenen Fristen nicht zu kurz. Auch im übrigen sei die Regelung unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Emittenten nicht unbillig. Die Inkraftsetzung bereits zum 1.10.2001 sei erforderlich gewesen, um eine ordnungsgemäße Durchführung des Handels und der Geschäftsabwicklung in diesem Handelssegment weiterhin zu gewährleisten. Das Landgericht hat die Anträge der Verfügungsklägerinnen (nach Verbindung) zurückgewiesen, weil eine einstweilige Regelung im Eilverfahren nicht erforderlich sei.

Die Verfügungsklägerinnen haben - jeweils gesondert - Berufung eingelegt und haben diese rechtzeitig begründet. Sie wenden sich insbesondere gegen die Ansicht, es fehle an einem Verfügungsgrund, und wiederholen zum Verfügungsanspruch im wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Mit ihren neu formulierten Anträgen begehren sie jetzt überwiegend, der Verfügungsbeklagten die Anwendung der betreffenden Klausel auf sie bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu untersagen.

Aufgrund der zwischenzeitlichen Entscheidungen der Verfügungsbeklagten über die Beendigung der Zulassung beantragen die Verfügungsklägerinnen zu 1), 2) und 4) bis 6) außerdem, der Verfügungsbeklagten zu untersagen, die getroffene Entscheidung in Vollzug zu setzen. Die Verfügungsklägerin zu 3) stellt einen entsprechenden Antrag im Hinblick auf die in ihrem Fall in Kürze zu erwartende Beendigungsenscheidung.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

     die Berufungen zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und vertritt insbesondere die Auffassung, daß ein Verfügungsgrund für die Eilanträge deshalb nicht bestehe, weil die Verfügungsklägerinnen das Schiedsgericht (Primary Markets Arbitration Panel) als Gericht der Hauptsache anrufen könnten und weil Entscheidungen über eine Beendigung der Zulassung zum Neuen Markt aufgrund der von ihr zwar ohne Rechtspflicht, aber mit "verbindlicher Wirkung" abgegebenen Stillhalteverpflichtung bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Schiedsgerichts nicht vollzogen würden. Es bestehe somit keine Gefahr, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Verfügungsklägerinnen vor rechtskräftiger Klärung vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.




Entscheidungsgründe:
..

Die Berufungen der Verfügungsklägerinnen sind zulässig. Sie haben auch in der Sache Erfolg. A) Die Anträge auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung sind zulässig. I. Soweit die Verfügungsbeklagte einwendet, die Anträge seien schon deshalb unzulässig, weil die Verfügungsklägerinnen nicht dargelegt hätten, daß ihnen bei Versagung der beantragten Unterlassungsverfügungen ein unzumutbarer, irreparabler Schaden drohe, der schwerer wiege als der Schaden, den sie bei Erlaß der Maßnahme befürchten müsse, und darüber hinaus hätten sich die Verfügungsklägerinnen mit der Beantragung zu lange Zeit gelassen, handelt es sich nicht um Fragen der Zulässigkeit, sondern um solche des für den Erlaß erforderlichen Verfügungsgrundes, auf den unten näher eingegangen wird. II. Entgegen der Ansicht der Verfügungsbeklagten scheitert die Zulässigkeit auch nicht daran, daß es hier um schwierige Fragen tatsächlicher Art gehe, die mit den beschränkten Aufklärungsmitteln, die in einem Eilverfahren zur Verfügung stehen, nicht bewältigt werden könnten, weil insbesondere eine Sachverständigen- Befragung nicht möglich sei. Davon wird die Statthaftigkeit der Anträge nicht berührt, denn die Notwendigkeit, eine Partei vor der Gefährdung ihrer Rechte oder vor anderen wesentlichen Nachteilen zu schützen, hängt nicht davon ab, wie schwierig der Entscheidungsprozeß ist.

III. Was die von der Verfügungsbeklagten vertretene Vorrangigkeit des Schiedsgerichtsverfahrens betrifft, ist zwischen der Frage nach der Zulässigkeit und derjenigen nach dem Verfügungsgrund zu unterscheiden. Auch wenn die Verfügungsklägerinnen wegen des hier geltend gemachten Begehrens das Schiedsgericht anrufen könnten und wenn für die Hauptsache sogar die ausschließliche Zuständigkeit des Schiedsgerichts wirksam vereinbart worden wäre, würde das an der Zulässigkeit der hier gestellten Anträge nichts ändern, weil die ordentlichen Gerichte jedenfalls für den Erlaß einer Eilentscheidung angerufen werden können (§ 1033 ZPO). IV. Auch der Antrag der Verfügungsklägerin zu 6) ist zulässig. Zwar hat diese Verfügungsklägerin bereits am 22.10.2001 eine Eilentscheidung gegen die Verfügungsbeklagte erwirkt, aber sie hat die rechtzeitige Vollziehung (§ 929 Abs. 2 ZPO) versäumt und ist danach nicht gehindert, eine neue einstweilige Verfügung zu beantragen, wenn weiterhin ein Verfügungsgrund besteht (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 929 Rn. 23; MüKo/ZPO/Heinze, 2. Aufl., § 929 Rn. 13; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 929 Rn. 18).

B) Die Verfügungsanträge sind auch begründet, denn es besteht ein Verfügungsanspruch und ein Verfügungsgrund (§§ 935, 940 ZPO).

I. Die Verfügungsklägerinnen haben nach dem Sach- und Streitstand, wie er dem Senat in diesem Verfahren unterbreitet worden ist, einen Anspruch darauf, daß die Verfügungsbeklagte Abschnitt 2 Ziffer 2.1.5 Abs. 2 Nr. 2 des Regelwerks in der seit 1.10.2001 geltenden Fassung ihnen gegenüber bis zu einer Klärung im Hauptsacheverfahren nicht anwendet; denn die Verfügungsbeklagte hat keine ausreichenden Gründe für eine Beendigung der Zulassung der Aktien der Verfügungsklägerinnen zum Neuen Markt bei Eintritt der umstrittenen Kriterien dargelegt. Der Unterlassungsanspruch ergibt sich aus der jeweiligen Vertragsbeziehung der Verfügungsbeklagten zu den einzelnen Verfügungsklägerinnen. Die Vertragsbeziehungen sind nach dem Schuldrecht des BGB zu beurteilen (Vertrag eigener Art mit überwiegend dienstvertraglichen Elementen); denn die Verfügungsbeklagte wird im Handelssegment Neuer Markt privatrechtlich tätig.

Die Verfügungsbeklagte war nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand des Senats nicht berechtigt, die von den Verfügungsklägerinnen beanstandete Klausel durch einseitige Änderung des Regelwerks in die Vertragsbeziehungen einzuführen. 1. Die Änderungsbefugnis ergibt sich nicht aus den Verpflichtungserklärungen, die die Verfügungsklägerinnen anläßlich der Zulassung ihrer Aktien zum Handel am Neuen Markt abgegeben haben. Dabei kann offenbleiben, ob die Erklärungen dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) unterfallen (vgl. Wolf, WM 2001/1785, 1787; Römermann/Schröder, BKR 2001/83, 85; Krämer, BKR 2001/131, 133; Bachmann, WM 2001/1793, 1795) oder ob es sich um Individualvereinbarungen mit der Verfügungsbeklagten handelt, wie verschiedene Kammern des Landgerichts angenommen haben. Hierauf kommt es nicht an, weil sich keine der von den Verfügungsklägerinnen abgegebenen Erklärungen auf eine mögliche Beendigung der Zulassung erstreckt. a) Die Verfügungsklägerinnen zu 1) und 3) haben sich nur verpflichtet, die Zulassungsfolgepflichten in der jeweils gültigen Fassung zu beachten. Zwar sind die betreffenden Erklärungen nicht vorgelegt worden, aber die Beschränkung auf die Folgepflichten ist - was den Wortlaut betrifft - unstreitig. Schon nach der systematischen Stellung ist Zulassungsfolgepflichten "ein im Regelwerk gezielt verwendeter Begriff, nämlich als Überschrift für die in Abschnitt 2 Ziffer 7 geregelten Verpflichtungen. Hier paßt der Begriff, denn es geht in Ziffer 7 ausschließlich um Verpflichtungen der Emittenten während ihrer Zugehörigkeit zum Neuen Markt (Quartalsberichte, Meldepflichten und sonstige Pflichten"). Schon nach der systematischen Unterteilung des Regelwerks beziehen sich die Erklärungen der Verfügungsklägerinnen zu 1) und 3) nicht auf Regelungen in Abschnitt 2 Ziffer 2 (vgl. auch Schiedsspruch des Primary Markets Arbitration Panel vom 12.2.2002, Seite 7/8). Auch inhaltlich hat die umstrittene Ausschußklausel nichts mit Folgepflichten zu tun, denn die Emittenten sind nirgends verpflichtet worden, den Kurswert ihrer Aktien immer auf mindenstens 1 Euro zu halten und/oder für eine Marktkapitalisierung von mindestens 20 Mio. Euro zu sorgen. b) Das gleiche gilt für die Verfügungsklägerin zu 4) mit der Besonderheit,daß in deren Erklärung sogar ausdrücklich auf Abschnitt 7 des Regelwerks Bezug genommen wird und im übrigen dort nicht von der jeweils gültigen Fassung, sondern nur von der zukünftigen Beachtung der Zulassungsfolgepflichten die Rede ist.

c) Auch die Verfügungsklägerin zu 2) hat das Regelwerk nicht in seiner jeweils gültigen Fassung anerkannt, sondern ausdrücklich nur in der Fassung vom "15.9.1999", und sie hat noch hinzugefügt: Änderungen des Regelwerks werden uns gegenüber wirksam, wenn wir nicht innerhalb eines Monats nach deren Bekanntgabe gegenüber der Frankfurter Wertpapierbörse eine gegenteilige Erklärung abgegeben haben ("Anerkennungserklärung" vom 15.10.1999). Wenn die Erklärung der Verfügungsklägerin zu 2), die ausdrücklich an die Frankfurter Wertpapierbörse gerichtet war, im Verhältnis zur Verfügungsbeklagten wirkt, kann auch die vorbehaltene Ablehnungserklärung der Verfügungsklägerin zu 2) gegenüber der Verfügungsbeklagten wirksam abgegeben werden. Die Ablehnung der hier streitigen Änderung ist jedenfalls dadurch erfolgt, daß die Verfügungsklägerin zu 2) den Erlaß einer einstweiligen Verfügung gegen die Anwendung der betreffenden Klausel beantragt hat. Sie hat dabei die selbst gesetzte Monatsfrist eingehalten, wobei es nicht darauf ankommt, ob man die "Bekanntgabe" im Sinne der Erklärung vom 15.10.1999 erst in der Veröffentlichung des neuen Regelwerks in seiner ab 1.10.2001 geltenden Fassung sieht oder schon in dem Schreiben der Verfügungsbeklagten vom 21.9.2001 an die Verfügungsklägerin zu 2) und andere Emittenten. Auch im letzteren Fall war der Widerspruch der Verfügungsklägerin zu 2) gegen die Änderung rechtzeitig, denn der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung ist der Verfügungsbeklagten am 5.10.2001 zugestellt worden. Warum die Verfügungsbeklagteaus diesen von ihr selbst bestätigten Daten den Schluß zieht, zwischen der Bekanntgabe und dem Widerspruch habe mehr als ein Monat gelegen (Schriftsatz vom 4.4.2002), ist nicht verständlich. d) Die Verpflichtungserklärung der Verfügungsklägerin zu 6) lautet: "Wir erkennen das Regelwerk Neuer Markt der Deutschen Börse AG an". Auch das schließt zukünftige Änderungen nicht ein. e) Die Verfügungsklägerin zu 5) hat folgende Erklärung abgegeben: "Im Zusammenhang mit dem Zulassungsverfahren .... erklärt die Gesellschaft ausdrücklich die Anerkennung des Regelwerks Neuer Markt der Gruppe Deutsche Börse, jeweils in der aktuellsten Fassung. Die Gesellschaft verpflichtet sich, den in der jeweils aktuellsten Fassung dieses Regelwerks aufgestellten Verpflichtungen nachzukommen".

Diese Erklärung bedarf einer interessengerechten Auslegung. Selbst wenn die Verfügungsklägerin zu 5) den zweiten Satz nicht hinzugefügt hätte, wäre für einen objektiven Erklärungsempfänger in der Rolle der Verfügungsbeklagten erkennbar gewesen, daß die Verfügungsklägerin zu 5) nur die im Regelwerk statuierten Pflichten in ihrem jeweiligen Umfang anerkennen wollte, nicht aber auch die Möglichkeit eines Ausschlusses ohne Pflichtverletzung. Erst recht gebietet die Klarstellung in Satz 2 der Erklärung diese Auslegung. 2. Auch aus Abschnitt 1 Ziffer 2 des Regelwerks kann die Verfügungsbeklagte keine einseitige Änderungsbefugnis herleiten. Dort heißt es: "Änderungen und Ergänzungen der in Ziffer 1 genannten Bedingungen werden durch Veröffentlichungen in einem überregionalen Börsenpflichtblatt oder auf ektronischem Wege bekanntgegeben. Die DBAG bestimmt das elektronische Medium".

Aus einer Formulierung, die kein Wort zum Umfang eventuell zu erwartender Änderungen enthält, ein Recht zur Beendigung der Zulassung herleiten zu wollen, erscheint schon nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen fernliegend. Das Schiedsgericht weist in seinem Schiedsspruch vom 10.9.2001 (BKR 2001/153, 155) zutreffend darauf hin, daß der Klausel durch das am Wortlaut orientierte Verständnis auch nicht etwa ihre eigenständige Funktion genommen wird. Das ergibt sich schon aus der Feststellung, daß sich die Verfügungsbeklagte in allen Fassungen des Regelwerks die Möglichkeit vorbehalten hat, das Entgeltverzeichnis einseitig zu ändern oder zu ergänzen (so auch in der letzten Fassung gemäß Abschnitt 4 Ziffer 4 Abs. 2 des Regelwerks), worauf sich auch Abschnitt 1 Ziffer 2 beziehen kann. Danach braucht nicht näher darauf eingegangen zu werden, daß Abschnitt 1 Ziffer 2 wegen seiner Schrankenlosigkeit gegen das Transparenzgebot und damit gegen § 9 AGB-Gesetz verstieße, wenn man die Klausel im Sinne einer allgemeinen Änderungsbefugnis der Verfügungsbeklagten auslegen würde (vgl. auch Wolf a.a.O., S. 1786). 3. Mit der widerspruchslosen Hinnahme früherer Änderungen haben die Verfügungsklägerinnen der Verfügungsbeklagten ebenfalls keine einseitige Änderungsbefugnis (konkludent) eingeräumt. Allein aus unterlassenen Beanstandungen einer oder mehrerer Vertragsänderungen, die ein Vertragspartner vornimmt, kann nicht der Schluß gezogen werden, daß der andere mit der einseitigen Form der Änderung einverstanden sei, sondern nur, daß er inhaltlich nichts gegen die Änderung einzuwenden habe. Erst recht verbietet sich die Schlußfolgerung auf ein Einverständnis mit zukünftigen einseitigen Vertragsänderungen, unabhängig davon, ob spätere Änderungen inhaltlich eine vergleichbare Bedeutung haben oder schwerer wiegen als die früheren Änderungen. Besonders gilt das, wenn die spätere Änderung darin besteht, daß einseitig Gründe für die Beendigung des Vertragsverhältnisses von einer Vertragspartei eingeführt werden, wie im vorliegenden Fall. 4. Eine einseitige Änderungsbefugnis bezüglich der streitgegenständlichen Ausschlußkriterien ergibt sich auch nicht aus §§ 78 Abs. 1 BörsG, 66a BörsO.

a) In diesen Bestimmungen liegt nach allgemeiner Meinung jedenfalls keine Ermächtigung zum Erlaß von Handelsrichtlinien mit Satzungsgewalt oder in sonstiger öffentlich-rechtlicher Form (vgl. u.a. Wolf a.a.O., Seite 1787; Schiedsspruch des Primary Markets Arbitration Panel vom 12.2.2002. Seite 8 ff.). Zwar erwägen Bauer/Pleyer/Hirche in ihrem Rechtsgutachten für die Verfügungsbeklagte, inwiefern öffentlich-rechtliche Elemente in den nach § 78 Abs. 1 BörsG zu erlassenden Handelsrichtlinien enthalten sind und sehen facettenreiche Verschränkungen von öffentlichem und privatem Recht (BKR 2002/102, 106 ff.). Sie halten die Einordnung des Regelwerks in den Rechtsquellenkanon des öffentlichen Rechts nicht von vornherein für ausgeschlossen, weil weder dem Wortlaut noch den Materialien zu § 78 BörsG die rechtliche Qualifikation eindeutig zu entnehmen sei (a.a.O., Seite 113). Aber letztlich kommen auch diese Autoren zu dem Ergebnis, daß derzeit die überwiegenden Gründe gegen eine öffentlich-rechtliche Qualifikation der Freiverkehrsrichtlinien und damit auch des Regelwerks sprächen und daß die historische Entwicklung sowie der gesetzgeberische Wille zu einer privatrechtlichen Qualifikation führten (a.a.O., Seite 114 mit Hinweis auf die herrschende Meinung in Fußnote 181).

b) Ob den weiteren Gedankengängen in dem Rechtsgutachten zu folgen ist, wonach sich aus § 78 BörsG in Verbindung mit § 66a BörsO eine einseitige Änderungsbefugnis der Verfügungsbeklagten herleiten lasse, die im Bereich des Privatrechts mit Hilfe privater Rechtsnormen ausgeübt werden könne, um die gesetzliche Zielsetzung zu erreichen, bedarf hier keiner vertiefenden Betrachtung. Denn eine Ausdehnung des "staatlichen Geltungsbefehls", den Bauer/Pleyer/Hirche der Vorschrift des § 78 Abs. 1 BörsG entnehmen, auf die in der Neuregelung enthaltenen Beendigungskriterien würde wegen der fehlenden Konkretisierung im Gesetzestext angesichts des schwerwiegenden Eingriffs in die Rechtsposition der Verfügungsklägerinnen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen. Das gleiche gilt in Bezug auf § 66a BörsO (vgl. auch Wolf a.a.O., S. 1787 unter Hinweis auf Art. 12 und 14 GG). 5. Auch ohne vertragliche oder gesetzliche Änderungsbefugnis der Verfügungsbeklagten kommt die Anwendbarkeit des geänderten Regelwerks auf die Verfügungsklägerinnen in Betracht, wenn sich die streitgegenständliche Ausschlußklausel als Ausformung gesetzlicher Kündigungsgründe darstellt und die Verfügungsbeklagte unter diesen Voraussetzungen schon nach dem Schuldrecht des BGB zur Kündigung der Vertragsbeziehungen mit den Verfügungsklägerinnen berechtigt ist. a) Eine ordentliche Kündigung scheidet von vornherein aus, denn die Verfügungsklägerinnen haben anläßlich der Zulassung ihrer Aktien zum Neuen Markt mit der Verfügungsbeklagten jeweils sinngemäß vereinbart, daß das dabei zustande gekommene Dauerschuldverhältnis von Seiten der Verfügungsbeklagten nicht ordentlich gekündigt werden kann. Das ergibt sich aus der Festlegung einzelner konkreter Beendigungsgründe im Regelwerk, die es auch schon vor der angegriffenen Erweiterung gab, in Verbindung mit den erkennbaren Erwartungen der Verfügungsklägerinnen bei der Zulassung ihrer Aktien zum Handel am Neuen Markt. Bei Abschluß des jeweiligen Vertrages mit den Verfügungsklägerinnen war für die Verfügungsbeklagte klar erkennbar, daß jeder Emittent darauf vertraut, nur unter den im Regelwerk präzise angegebenen Voraussetzungen von der weiteren Teilnahme seiner Aktien am Handel in diesem Marktsegment ausgeschlossen werden zu können. Die Verfügungsklägerin zu 2) beziffert n ihrer Berufungsbegründung allein die Kosten im Zusammenhang mit dem Zulassungsverfahren und für den Segmentwechsel vom Freiverkehr zum Neuen Markt mit über 2,5 Mio. Euro, was die Verfügungsbeklagte nicht bestreitet. Es kann davon ausgegangen werden, daß bei den anderen Verfügungsklägerinnen ähnlich hohe Kosten entstanden sind. Hinzu kommen erhebliche laufende Kosten, die im Falle einer Beendigung der Zulassung ebenfalls weitgehend nutzlos entstanden wären.

In Anbetracht dieses Aufwandes, den die Emittenten betreiben, um überhaupt am Neuen Markt teilnehmen zu können, wäre die Annahme, die Verfügungsbeklagte sei bei Vertragsabschluß davon ausgegangen, das Dauerschuldverhältnis ohne konkreten Anlaß kündigen zu können, lebensfremd. Die Frage nach einer angemessenen Kündigungsfrist stellt sich dabei nicht (vgl. hierzu Wolf, a.a.O., Seite 1788 ff.), denn keine - auch keine lange - Frist kann den konkludent vereinbarten Ausschluß einer ordentlichen Kündigung beseitigen.

b) Dagegen können die neu eingeführten Beendigungskriterien als Konkretisierung eines Grundes zur außerordentlichen Kündigung der Dauerschuldverhältnisse angesehen werden. Grundsätzlich bestehen keine Bedenken dagegen, daß die Verfügungsbeklagte auf diese Weise für die Emittenten, sonstige Marktteilnehmer und andere Interessenten zu erkennen gibt, unter welchen Voraussetzungen sie meint, ein Recht zur außerordentlichen Kündigung zu haben. Es fördert auch die Transparenz, wenn die Verfügungsbeklagte festlegt, welche Frist sie bei einer außerordentlichen Kündigung aus den genannten Gründen einhalten wird (hier ein Monat gemäß Abschnitt 2 Ziffer 2.1.5 Abs. 3 des geänderten Regelwerks). Aber die neu eingeführten Beendigungskriterien können nur dann Grundlage einer wirksamen außerordentlichen Kündigung sein, wenn der Verfügungsbeklagten bei ihrem Vorliegen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht mehr zuzumuten ist. Nach allgemeiner Meinung kann ein Dauerschuldverhältnis außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, die unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertrages für den Kündigenden unzumutbar machen (vgl. nur Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., Einl. vor § 241 Rn. 19 mit Rechtsprechungsnachweisen). Der aus den §§ 554a a.F., 626, 723 BGB, 89a HGB abgeleitete Rechtsgrundsatz muß im vorliegenden Fall noch dahin erweitert werden, daß auch die Interessen Dritter - insbesondere der potentiellen oder bereits engagierten Anleger - zu berücksichtigen sind.

Die Verfügungsbeklagte hat jedoch in diesem Verfahren keine Tatsachen vorgetragen, aus denen der Senat schließen könnte, daß ihr die Fortsetzung der Vertragsbeziehungen bei Eintritt der umstrittenen Voraussetzungen - unter Berücksichtigung der erwähnten Drittinteressen - unzumutbar sei. Ihr Vortrag beschränkt sich auf abstrakte, schlagwortartige Formulierungen wie z.B. "Anpassung an die dynamische Entwicklung der nationalen und internationalen Kapitalmärkte; Funktionsfähigkeit des Neuen Marktes; Steigerung der Konkurrenzfähigkeit; Verbesserung des Anlegerschutzes" u.ä. Ein berechtigtes Interesse der Verfügungsbeklagten an den genannten Zielsetzungen steht außer Frage, aber es ist nicht erkennbar, inwiefern Schwellenwerte von 1 Euro Kurswert und 20 Mio. Euro Marktkapitalisierung hierbei eine entscheidende Rolle spielen sollen.

Zwar deutet die Verfügungsbeklagte angebliche Auswirkungen an bestimmten Stellen wenigstens an, wenn sie u.a. behauptet, auch bei Unternehmen, die von ihrer Struktur her in den Neuen Markt passen, zeige sich die Tendenz, dieses Marktsegment zu verlassen oder von vornherein zu meiden. Aber auch insoweit fehlt jegliche Erläuterung, warum die Zurückhaltung solcher Unternehmen und das im gleichen Zusammenhang beklagte Ausbleiben neuer Börsengänge etwas mit den Kursen und der Marktkapitalisierung anderer Unternehmen zu tun haben soll anstatt mit der augenblicklichen gesamtwirtschaftlichen Lage und dem ungünstigen Börsenumfeld. In anderem Zusammenhang lobt die Verfügungsbeklagte sogar die wirtschaftliche Vernunft derjenigen Unternehmen, die aus Kostengründen freiwillig den Neuen Markt verlassen. Unverständlich ist insbesondere die Hürde einer Marktkapitalisierung von 20 Mio. Euro, die die Verfügungsbeklagte im geänderten Regelwerk aufgebaut hat. Damit trifft sie nur Unternehmen, deren Aktien am Neuen Markt bereits gehandelt werden, denn bei der Neuzulassung muß kein Unternehmen diesen Schwellenwert erreichen. Die im Schreiben an die Emittenten vom 21.9.2001 angeführte und in der mündlichen Verhandlung wiederholte Begründung, eine Marktkapitalisierung von 20 Mio. Euro stelle allgemein eine untere Grenze für das Engagement institutioneller Investoren dar, ist wenig überzeugend, wenn dieser Wert bei der Neuzulassung keine Rolle spielt.

Zwar führt in der ersten Phase der von der Verfügungsbeklagten jetzt eingeführten Fristen (30 Börsentage) die Unterschreitung einer Marktkapitalisierung von 20 Mio. Euro für sich allein nicht zum Ausschluß, aber wenn der Aktienkurs erst einmal 30 Börsentage lang unter 1 Euro gelegen hat, kann das Unternehmen dem Ausschluß nicht mehr entgehen, sofern es seine Marktkapitalisierung nicht auf mindestens 20 Mio. Euro hochschraubt; denn in der zweiten Phase müssen an mindestens 15 aufeinanderfolgenden Börsentagen beide Schwellenwerte nebeneinander erreicht werden.

Das bedeutet: Ein Unternehmen, das gerade erst zugelassen worden ist, kann nach einem vorübergehenden Absinken seines Aktienkurses unter 1 Euro schon wieder die Voraussetzungen für einen Ausschluß erfüllen, obwohl die Marktkapitalisierung von Anfang an immer weit unter 20 Mio. Euro gelegen hat. Eine solche Konsequenz ergäbe selbst dann keinen Sinn, wenn die Verfügungsbeklagte überzeugend dargelegt hätte, warum eine Marktkapitalisierung von 20 Mio. Euro zur Erreichung der von ihr aufgezählten Zielsetzungen geeignet und erforderlich sei.

Darüber hinaus fehlt eine Darlegung der Verfügungsbeklagten, warum die Notwendigkeit der eingeführten Grenzwerte erst jetzt erkannt worden ist. Wenn die Werte für die Erreichung der abstrakt formulierten Ziele (Funktions- und Wettbewerbsfähigkeit des Neuen Marktes, Anlegerschutz, internationale Verflechtung usw.) von so großer Bedeutung sind, daß sie eine Beendigung der Zulassung zum Neuen Markt rechtfertigen, müßten sie schon bei Schaffung dieses Marktsegments im Frühjahr 1997 und erst recht anläßlich früherer Regelwerksänderungen erkannt worden sein, die sich nach Darstellung der Verfügungsbeklagten vornehmlich auf die Zulassungsbedingungen bezogen haben. Da nach alledem die vermeintliche Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Dauerschuldverhältnisse mit den Verfügungsklägerinnen nicht ausreichend vorgetragen ist, braucht nicht erörtert zu werden, ob die Beendigung der Zulassung durch die Möglichkeit, ohne weitere Formalien in den Geregelten Markt wechseln zu können, abgemildert wird; denn zu einer solchen Abwägung käme man erst nach schlüssiger Darlegung der Unzumutbarkeit. 6. Der Senat hat auch erwogen, ob der Verfügungsbeklagten im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ein Recht zur Einfügung von Vertragsklauseln zusteht, aufgrund dessen sie vertragliche Kündigungsgründe in das Regelwerk aufnehmen kann. Ein solches besonderes Kündigungsrecht könnte in Betracht kommen, wenn die Verfügungsbeklagte beabsichtigen würde, das Konzept des Neuen Marktes grundlegend neu zu gestalten; denn sie ist nicht verpflichtet, für alle Zeiten an dem bisherigen Konzept festzuhalten. In einem solchen Fall wäre die entscheidende Frage, welchen zeitlichen Vorlauf sie den Emittenten geben müßte, um sich auf eine solche Veränderung einzustellen. Das bedarf aber hier keiner weiteren Erörterung, weil die Verfügungsbeklagte in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt hat, mit der Einführung der streitgegenständlichen Beendigungsklausel keine Änderung des Konzepts anzustreben, sondern nur das bereits bestehende verwirklichen zu wollen.

7. Ob und inwieweit der Verfügungsbeklagten bei unverändertem Konzept eine Befugnis zur einseitigen Änderung des Regelwerks aufgrund ergänzender Vertragsauslegung zusteht, braucht in diesem Verfahren ebenfalls nicht entschieden zu werden. Wenn man die Verfügungsbeklagte unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt grundsätzlich für änderungsbefugt hält und wenn man ihr im Interesse einer dauerhaften Funktionsfähigkeit des Neuen Marktes einen weiten Gestaltungsspielraum einräumt, ändert dies nichts daran, dass sie in einem Rechtsstreit über die Beendigung der Zulassung zum Neuen Markt konkret darlegen und ggf. glaubhaft machen oder beweisen muß, dass beim Eintritt der Ausschlußkriterien, die sie neu in das Regelwerk aufgenommen hat, die Beendigung der Zulassung zum Neuen Markt erforderlich ist, um die mit dem Handelssegment Neuer Markt verfolgten Ziele nicht zu gefährden oder um drohenden Schaden oder andere konkrete Nachteile vom Neuen Markt abzuwenden. Dafür ist nicht eine Rechtfertigung im Einzelfall - bezogen auf das betreffende Unternehmen - notwendig, wohl aber eine generalisierende Rechtfertigung der Ausschlußkriterien im Hinblick auf den angestrebten Zweck. An einer solchen Darlegung fehlt es. Insoweit gelten die Ausführungen oben zu Ziffer 5. b) entsprechend. Das dort behandelte Vorbringen der Verfügungsbeklagten ist auch dann unzureichend, wenn man an die Darlegung der "Erforderlichkeit" im Sinne der vorstehenden Ausführungen geringere Anforderungen stellt als an die Darlegung der "Unzumutbarkeit" im Sinne der Ausführungen zu Ziffer 5. b).

II. Für den Erlaß der beantragten einstweiligen Verfügungen besteht auch ein Verfügungsgrund. 1. Er ergibt sich für die Verfügungsklägerinnen zu 1), 2) und 4) bis 6) daraus, daß die Verfügungsbeklagte für diese Emittenten die Beendigung der Zulassung bereits beschlossen und bekanntgegeben hat. Da die Bekanntgabe auch den Hinweis enthielt, daß die Beendigung nach Ablauf eines Monats wirksam wird, ist der Erlaß der beantragten einstweiligen Verfügungen jedenfalls zur Abwendung wesentlicher Nachteile erforderlich (§ 940 ZPO); denn anderenfalls beendet die Verfügungsbeklagte den Handel der jeweiligen Aktien am Neuen Markt mit Ablauf eines Monats nach ihrer Beendigungsentscheidung. Auch für die Verfügungsklägerin zu 3) liegt ein Verfügungsgrund vor, denn die Entscheidung der Verfügungsbeklagten über die Beendigung der Zulassung der Aktien dieser Verfügungsklägerin steht kurz bevor, nachdem der größte Teil der zweiten Frist der streitgegenständlichen Klausel bereits abgelaufen ist. Der Umstand, daß die Verfügungsklägerin zu 6) bereits am 22.10.2001eine einstweilige Verfügung erwirkt, aber die Vollziehungsfrist nicht eingehalten hat, ändert schon deshalb nichts, weil die Verfügungsbeklagte durch die Entscheidung über die Beendigung des Handels der Aktien der Verfügungsklägerin zu 6) einen neuen Verfügungsgrund geschaffen hat.

2. Der Umstand, daß die Verfügungsklägerinnen gegen die Entscheidungen der Verfügungsbeklagten das Schiedsgericht anrufen und dort - möglicherweise - relativ kurzfristig eine Entscheidung in der Hauptsache erhalten können und daß die Verfügungsbeklagte erklärt hat, bis zur Entscheidung durch das Schiedsgericht keine weiteren Maßnahmen zu treffen, ändert ebenfalls nichts am Verfügungsgrund. Die Verfügungsklägerinnen können nicht auf diese Weise indirekt gezwungen werden, sich in der Hauptsache der Schiedsgerichtsbarkeit zu unterwerfen, die im Regelwerk nicht zwingend vereinbart ist. Schon der Umstand, daß in der neuen Bestimmung gemäß Abschnitt 2 Ziffer 2.1.6 des Regelwerks, die sich mit der Zuständigkeit des Schiedsgerichts für Streitigkeiten über oder aus der Zulassung zum Neuen Markt befaßt, die Fälle der Ziffer 2.1.5 und damit auch die hier streitige Beendigungsklausel nicht mit aufgezählt sind, begründet erhebliche Bedenken gegen die Annahme einer ausschließlichen Zuständigkeit des Schiedsgerichts.

Aber selbst wenn man die Textfassung als redaktionell fehlerhaft ansieht und auf Ziffer 2.1.5 Abs. 6 in Verbindung mit Ziffer 2.1.4 Abs. 4 abstellt, ergibt sich eine ausschließliche Zuständigkeit des Schiedsgerichts für die Hauptsache nicht mit der notwendigen Klarheit. In Ziffer 2.1.4 Abs. 4 heißt es: "Gegen Maßnahmen .... kann der Emittent .... das Primary Markets Arbitration Panel anrufen". Das bedeutet nicht, dass nur das Schiedsgericht angerufen werden kann. Zur Auslegung dieser Klausel kann die Verfügungsbeklagte nicht auf frühere Regelungen zurückgreifen, aus denen sich seit Bestehen des Neuen Marktes ein bestimmtes Verständnis der Beteiligten ergeben haben oll. In ihrem Schriftsatz vom 4.4.2002 weist sie auf die frühere Fassung der Ziffer 2 des Abschnitts 5 hin, wonach über Streitigkeiten aus der Geschäftsverbindung zwischen ihr und dem Emittenten ein Schiedsgericht entscheiden und § 48 der BörsO für die Frankfurter Wertpapierbörse entsprechend gelten sollte. Selbst wenn man diese frühere Regelung zum heutigen Verständnis heranziehen wollte, würde sich daraus nicht mit der nötigen Klarheit die Zuständigkeit des Schiedsgerichts für den hier zu beurteilenden Streitgegenstand ergeben. Denn die damalige Verweisung auf § 48 BörsO führt zu einem eingeschränkten Anwendungsbereich. Nach § 48 BörsO entscheidet ein Schiedsgericht über Streitigkeiten aus Geschäften, die in die Börsengeschäftsabwicklung der Frankfurter Wertpapierbörse eingegeben wurden oder einzugeben waren, einschließlich der Frage, ob zwischen den Parteien ein Geschäft zustande gekommen ist. Dazu gehört die vorliegende Streitigkeit nicht.

3. Der Verfügungsgrund ist auch nicht für diejenigen Verfügungsklägerinnen entfallen, die in der mündlichen Verhandlung erklärt haben, sie hätten kurz zuvor das Schiedsgericht angerufen oder sie beabsichtigten dies bis zum Ablauf der Zweiwochen-Frist gemäß Abschnitt 2 Ziffer 2.1.4 Abs. 4 des Regelwerks. In diesem Vorgehen ist kein Einverständnis der betreffenden Verfügungsklägerinnen mit der Zuständigkeit des Schiedsgerichts in der Hauptsache zu erblicken. Teilweise ging es den Verfügungsklägerinnen darum, vorsorglich die Zweiwochen-Frist nach der Beendigungsentscheidung der Verfügungsbeklagten zu wahren; teilweise soll die Anrufung des Schiedsgerichts nur dazu dienen, dessen Unzuständigkeit feststellen zu lassen. Alle Verfügungsklägerinnen haben sich in der mündlichen Verhandlung eindeutig dahin geäußert, daß sie sich für die Klärung des hier in Rede stehenden Streitstoffs nicht auf die Zuständigkeit des Schiedsgerichts einlassen wollen.

III. Für die Verfügungsklägerinnen zu 1) bis 4) und 6) war die Wirkung der einstweiligen Verfügungen auf die Zeit bis zur erstinstanzlichen Entscheidung in der Hauptsache zu begrenzen, wozu auch eine Entscheidung des Schiedsgerichts gehört. Denn es ist denkbar, daß bis dahin Erkenntnisse vorliegen, die eine weitere Aufrechterhaltung des jetzigen Urteils bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr rechtfertigen. Die abweichende Tenorierung für die Verfügungsklägerin zu 5) beruht auf deren Antrag. Das Verbot der Anwendung bedeutet, daß die in Abschnitt 2 Ziffer 2.1.5 Abs. 2 Nr. 2 des geänderten Regelwerks genannten Fristen nicht vor den im Urteilstenor genannten Zeitpunkten zu laufen beginnen.

Der Verfügungsbeklagten brauchte nicht gesondert untersagt zu werden, eine eventuelle noch beabsichtigte Beendigungs-Entscheidung bezüglich der Aktien der Verfügungsklägerin zu3) in Vollzug zu setzen, denn aufgrund des Verbots in Ziffer 1. des Urteilstenors darf die Verfügungsbeklagte schon die Beendigung nicht aussprechen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO. Die teilweise Zurückweisung des Antrags der Verfügungsklägerin zu 4) betrifft nur die beantragte Wirkungsdauer der einstweiligen Verfügung. Die Differenz ist unbedeutend und hat keine besonderen Kosten verursacht.



Vergl. die Entscheidung des OLG Frankfurt 5 U 189/01 v. 2001-12-11

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