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2019-03-11


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AI    Wertpapierbörse darf "Pennystocks" vom "Neuen Markt" ausschließen

    OLG Frankfurt am Main, 5 U 189/01 vom 2001-12-11
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Vergl. die Entscheidung des OLG Frankfurt 5 U 278/01 v. 2002-04-09

5 U 189/01
3/13 O 110/01 LG Frankfurt/M.

 

 

OBERLANDESGERICHT  FRANKFURT  AM   MAIN

 

IM NAMEN DES VOLKES

 

URTEIL

 

 

In dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung

 

der De... B... AG, vertreten durch die Vorstandsmitglieder, Frankfurt am Main,

Verfügungsbeklagte, Berufungsklägerin
und Berufungsbeklagte,

- Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt, Frankfurt am Main -

 

 

 

 

die F....... AG, vertreten durch die Vorstandsmitglieder, Berlin,

Verfügungsklägerin, Berufungsbeklagte
und Berufungsklägerin,

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt, Frankfurt am Main -

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...
und die Richter am Oberlandesgericht .... und ...
aufgrund der mündlichen Verhandlung

vom 11. Dezember 2001

für   R e c h t   erkannt:

Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das am 16. August 2001 verkündete Urteil der 13. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main abgeändert. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung und die Berufung der Verfügungsklägerin werden zurückgewiesen. Die Verfügungsklägerin hat die Kosten des Verfahrens beider Instanzen zu tragen.


Tatbestand

Die Parteien streiten im Eilverfahren um die Wirksamkeit einer durch Presseerklärung der Verfügungsbeklagten vom 20.07.2001 angekündigten und zum 01.10.2001 in Kraft gesetzten Änderung des Regelwerks für den Neuen Markt. Danach sollen Unternehmen aus dem Neuen Markt ausgeschlossen werden, deren Aktien an drei­ßig aufeinanderfolgenden Börsentagen einen Tagesdurchschnittskurs von 1 Euro und eine Marktkapitalisierung von 20 Millionen Euro unterschreiten und beide Werte in den nächsten 90 Börsentagen nicht an mindestens 15 aufeinanderfolgenden Bör­sentagen übertreffen (sog. Penny-Stocks-Regelung).

Die Verfügungsklägerin ist eines der Unternehmen, deren Aktien am Neuen Markt der Frankfurter Wertpapierbörse gehandelt werden. Ihr Grundkapital beträgt 5.860.000 Euro, eingeteilt in 5.860.000 nennwertlose Stückaktien.

Mit ihrem am 26.07.2001 eingereichten und in der mündlichen Verhandlung vordem Landgericht bezüglich der Wirkungsdauer beschränkten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat die Verfügungsklägerin begehrt, der Verfügungsbeklag­ten zu untersagen, das Regelwerk des Neuen Marktes mit Wirkung vor dem 01.10.2002 in dem beabsichtigten Sinne zu ändern und/oder dies in der Öffentlich­keit bekannt zu geben.

Sie hat die Befürchtung geäußert, von der geplanten Änderung erfasst zu werden, und hat behauptet, dass nicht erst ihr Ausschluss, sondern schon dessen Gefahr zu weiteren Kursrückgängen führe. Deshalb werde sie schon durch die beabsichtigte Regelung und deren Bekanntgabe in der Pressemitteilung vom 20.07.2001 in erheb­lichem Maße geschädigt. Den Verfügungsanspruch hat sie daraus hergeleitet, dass die angestrebte Änderung rechtswidrig sei, weil die Verfügungsbeklagte keine Befugnis habe, das Regelwerk des Neuen Marktes (im folgenden nur: Regelwerk) einseitig zu ändern. Der Neue Markt sei privatrechtlich organisiert. Bei dem Regelwerk handele es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen der Verfügungsbeklagten. Ein eventuell darin enthal­tener Änderungsvorbehalt sei gemäß § 9 AGBG unwirksam. Sie wende sich aller­dings nicht schlechthin gegen die beabsichtigte Änderung, sondern gegen deren kurzfristige Umsetzung. Ob die Regelung überhaupt rechtlich zulässig sei, könne deshalb für die Entscheidung dieses Verfahrens dahingestellt bleiben.

Jedenfalls unterlägen solche einseitigen Änderungen von Vertragsbedingungen dem Maßstab des § 315 BGB. Sie seien nur wirksam, wenn sie der Billigkeit entsprächen. Das sei hier jedenfalls wegen der kurzen Umstellungsfrist nicht der Fall. Diese Frist lasse den betroffenen Unternehmen keine realistische und zumutbare Möglichkeit, sich auf die geänderten Bedingungen einzustellen.

Demgegenüber hat die Verfügungsbeklagte die Auffassung vertreten, der Antrag sei bereits unzulässig, weil die Verfügungsklägerin damit schon im Eilverfahren eine endgültige Entscheidung anstrebe. Im übrigen sei der Antrag auch unbegründet, weil sie aufgrund der §§ 78 Abs. 1 Börsengesetz, 66 a Börsenordnung befugt sei, das Regelwerk zu ändern. Selbst wenn die geplante Änderung einer Überprüfung am Maßstab des § 315 BGB unterworfen werden müsste, hielte sie der Überprüfung nach billigem Ermessen stand.

Das Landgericht hat in seinem Urteil der Verfügungsbeklagten untersagt, das geän­derte Regelwerk zu Lasten der Verfügungsklägerin mit Wirkung vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Inkrafttreten anzuwenden. Den weitergehenden Antrag hat es zu­rückgewiesen. Es hat den Antrag insoweit für unzulässig gehalten, als die Verfü­gungsklägerin das Inkrafttreten der vorgesehenen Änderung für alle Teilnehmer am Neuen Markt habe verhindern wollen. Insoweit fehle ihr auch unter den Besonder­heiten dieses Falles das Rechtsschutzbedürfnis.

In der Sache ist das Landgericht der Verfügungsklägerin darin gefolgt, dass es sich bei dem Regelwerk um AGB handele. Die einseitige Änderungsbefugnis hat es dar­aus hergeleitet, dass sich die Verfügungsklägerin durch eine Individualvereinbarung (§ 4 AGBG) gegenüber der Frankfurter Wertpapierbörse verpflichtet habe, die Zulas­sungsfolgepflichten des Regelwerks in der jeweils gültigen Fassung zu beachten. Die einseitige Bestimmung müsse jedoch an den Maßstäben des § 315 BGB gemessen werden. Da der vorgesehene Zeitpunkt der Inkraftsetzung der Regeländerung unbil­lig sei, müsse er gemäß § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB durch gerichtliche Bestimmung ersetzt werden.

Die Abwägung der beiderseitigen schutzwürdigen Belange führe da­zu, dass die Verfügungsbeklagte die Änderung gegenüber der Verfügungsklägerin erst anwenden dürfe, wenn sechs Monate seit dem Inkrafttreten verstrichen seien.

Gegen dieses Urteil haben beide Parteien selbständig Berufung eingelegt.

Die Verfügungsklägerin möchte mit dem Rechtsmittel erreichen, dass das zum 01.10.2001 geänderte Regelwerk nicht vor dem 01.10.2002 auf sie angewendet wird. Soweit der jetzige Antrag hinter dem erstinstanzlichen Begehren zurückbleibt (nicht mehr Untersagung der Änderung als solcher, sondern nur deren Anwendung ihr gegenüber, und nicht mehr Untersagung der öffentlichen Bekanntgabe), hat sie die Hauptsache für erledigt erklärt. Was die erste Einschränkung betrifft, meint sie, es bestehe jetzt nicht mehr die Gefahr, dass sie mit einer Beschränkung des Antrags auf ihr Unternehmen eine Sonderstellung einnehmen und damit ihrem Image und dem Kurs ihrer Aktien schaden würde, weil sich inzwischen eine Vielzahl weiterer am Neuen Markt notierter Unternehmen gegen die kurzfristige Aufnahme des neuen Ausschlussgrundes in das Regelwerk gewendet habe.

Im Übrigen vertieft die Verfügungsklägerin ihr erstinstanzliches Vorbringen zur feh­lenden Änderungsbefugnis der Verfügungsbeklagten und greift die Auffassung des Landgerichts an, dass es sich bei ihrer Erklärung, die Zulassungsfolgepflichten zu beachten, um eine Individualabrede handele. Außerdem habe sie diese Erklärung nicht gegenüber der Verfügungsbeklagten abgegeben, und der Erklärungsinhalt er­fasse auch nicht die umstrittene Änderung. Selbst wenn man § 315 BGB für an­wendbar hielte, hätte das Landgericht bei der Beschränkung des Aufschubs auf sechs Monate ihre schutzwürdigen Belange nicht ausreichend berücksichtigt. Die Verfügungsbeklagte erstrebt mit ihrer Berufung weiterhin die vollständige Zu­rückweisung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung. Sie vertieft ihre Einwände sowohl gegen die Zulassigkeit als auch gegen die Begrundetheit des An­trags.



Entscheidungsgründe:
..

Die Berufungen beider Parteien sind zulässig. Die Berufung der Verfüg u ngsbeklag-ten hat auch in der Sache Erfolg, während die Berufung der Verfügungsklägerin un­begründet ist.

I.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig.

Der Senat folgt nicht der Auffassung der Verfügungsbeklagten, dass der Antrag schon deshalb unzulässig sei, weil die Verfügungsklägerin die Regelung eines end­gültigen Zustandes anstrebe. Jede Verbotsverfügung schafft für den Zeitraum, für den sie erlassen wird, einen Zustand, der nachträglich nicht mehr geändert werden kann. Trotzdem sind gerade Verbotsverfügungen im Interesse eines wirksamen Rechtsschutzes erforderlich, wenn ein Verfügungsgrund im Sinne der §§ 935, 940 ZPO vorliegt.

Auch dass eventuell schwierige Tatsachenfragen im Streit sind, für die man in einem Hauptsacheverfahren Sachverständige heranziehen würde, führt entgegen der An­sicht der Verfügungsbeklagten nicht zur Unzulässigkeit einer einstweiligen Verfü­gung, weil die Notwendigkeit, eine Partei vor einer Gefährdung ihrer Rechte oder vor anderen wesentlichen Nachteilen zu schützen, nicht davon abhängen kann, wie schwierig der Entscheidungsprozess ist.

II.

Der von der Verfügungsklägerin jetzt noch weiter verfolgte Antrag ist jedoch unbegründet. Dabei kann offen bleiben, ob ein Verfügungsanspruch besteht, denn je­denfalls liegt ein Verfügungsgrund nicht vor.

Nach überwiegender Meinung in der Literatur führt das Fehlen eines Verfügungs­oder Arrestgrundes zur Unbegründetheit und nicht zur Unzulässigkeit des Antrags (vgl. Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 60* Aufl., vor § 916 Rn. 12; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 917 Rn. 2; Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., § 19 Rn. 3 m. w. N.).

1. Ein Verfügungsgrund lässt sich zur Zeit nicht daraus herleiten, dass die Verfü­gungsklägerin befürchtet, von der Teilnahme am Neuen Markt ausgeschlos­sen zu werden. Voraussetzung für die beantragte Eilmaßnahme wäre, dass die Gefahr bestünde, dass durch eine Veränderung des bisher bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Verfügungsklägerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 935 ZPO) oder dass eine einstweilige Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile „oder aus anderen Gründen" nötig er­schiene (§ 940 ZPO). Keine dieser Voraussetzungen liegt vor, weil die Kurs­entwicklung der Aktien der Verfügungsklägerin bis zum Schluss der mündli­chen Verhandlung vor dem Senat nicht den Schluss zulässt, dass die Verfü­gungsklägerin in dem von ihr beantragten Verfügungszeitraum (bis 30.09.2002) in die Gefahr geraten könnte, die Ausschlusskriterien nach dem geänderten Regelwerk zu erfüllen. Sollte sich eine solche Gefahr dennoch konkret abzeichnen, bliebe der Verfügungsklägerin jedenfalls genügend Zeit, die dann benötigte Eilmaßnahme bei Gericht zu erwirken.

a) Nach den eigenen Ausführungen der Verfügungsklägerin ist schon nicht damit zu rechnen, dass sie überhaupt in den Gefahrenbereich kommt. In ihrer Berufungsbegründung trägt sie vor, sie gehe sicher da­von aus, bis zum Spätsommer 2002 weit von den Kriterien entfernt zu sein, die zu ihrem Ausschluss vom Neuen Markt führen könnten. Wenn der Kurs ihrer Aktien bis zu diesem Termin nicht ohnehin über die kriti­sche Grenze gestiegen sei, würden gegebenenfalls auf der ordentli­chen Hauptversammlung vom 31.05.2002 zu beschließende Kapital­maßnahmen dies bewirken.

Demnach geht die Verfügungsklägerin davon aus, dass der Kurs ihrer Aktien sogar ohne die zu beschließenden Maßnahmen bis zum Ende des beantragten Verfügungszeitraums jenseits der „kritischen Grenze" liegen werde. Mit der kritischen Grenze kann nicht 1 Euro gemeint sein, sondern ein darüber liegender Bereich; denn ein Anstieg über 1 Euro steht ohnehin nicht zur Debatte, weil der Kurs der Aktien der Verfü­gungsklägerin noch nie unter 1 Euro gefallen ist. Erst Recht ist dann durch die von der Hauptversammlung am 31.05.2002 zu beschließen­den Maßnahmen ein dauerhaftes Verlassen der „Gefahrenzone" zu er­warten. Zur Zeit bewegt sich der Kurs in der Nähe von 2 Euro. Am Tag der mündlichen Verhandlung betrug der Schlusskurs laut Frankfurter All­gemeine Zeitung (FAZ) 2,05 Euro.

b) Aber selbst wenn die Verfügungsklägerin durch unvorhergesehene Er­eignisse konkret in die Gefahr geraten sollte, die neuen Ausschlusskri­terien noch vor dem 01.10.2002 zu erfüllen, bleibt ihr genügend Zeit, die dann benötigte Eilentscheidung zu beantragen. Das ergibt sich aus den zeitlichen Vorgaben des neuen Ausschlussgrundes:

- Zunächst muss der Kurs an 30 Börsentagen ununterbrochen unter 1 Euro liegen. Die zweite Ausschlussvoraussetzung (Marktkapitalisie­rung unter 20 Millionen Euro) wäre dann bei der gegenwärtigen Höhe des Grundkapitals der Verfügungsklägerin ebenfalls erfüllt. Geht man davon aus, dass der Kurs in der Folgezeit nicht wenigstens an 15 aufeinanderfolgenden Börsentagen wieder über der Grenze von 1 Euro liegt, so vergehen doch jedenfalls 120 Börsentage (ca. 24 Wochen), bis die Ausschlussvoraussetzungen erfüllt sind. Hinzu kommt ein weiterer Monat bis zur Wirksamkeit des Ausschlusses nach dessen Bekanntgabe durch die Verfügungsbeklagte. Dabei sind diejenigen Feiertage noch nicht berücksichtigt, an denen kein Börsenhandel stattfindet. Selbst wenn man einkalkuliert, dass die Verfügungsbeklagte mögli­cherweise die Frist von 90 Börsentagen nicht vollständig abwarten wür­de, sondern schon nach Beginn der letzten 15 Börsentage den Ausschluss mit der Begründung bekannt gäbe, die Verfügungsklägerin könne die Voraussetzungen für den Verbleib im Neuen Markt nun nicht mehr erreichen, würde der Zeitraum zwischen der erstmaligen Notie­rung unter 1 Euro und dem Wirksamwerden des Ausschlusses immer noch ca. sechs Monate betragen. Läge der Tagesdurchschnittskurs nur an einem einzigen Börsentag innerhalb des ersten Teils der Frist wie­der über 1 Euro, würde der genannte Zeitraum erneut in vollem Umfang zur Verfügung stehen.

Im vorliegenden Verfahren hat die Verfügungsklägerin die einstweilige Verfügung - wenn auch nur teilweise mit Erfolg - innerhalb von drei Wochen erwirkt.

2. Im Verhandlungstermin hat die Verfügungsklägerin vorgetragen, ihr Vorstand müsse nach den Grundsätzen der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns in der kommenden Hauptversammlung schon vorsorglich Maßnahmen gegen die Gefahr eines Ausschlusses ergreifen und dies sei mit erheblichen Kosten verbunden. Außerdem könnten durch Maßnahmen zu einem ungünstigen Zeitpunkt die Aktionäre geschädigt werden. Schon diese Nachteile müssten verhindert werden. Dieses Vorbringen ist neu, denn aufgrund der oben schon zitierten Ausführungen in der Berufungsbegründung der Verfügungsklägerin war bisher davon auszugehen, dass in der Hauptversammlung vom 31.05.2002 ohnehin Kapitalmaßnahmen beschlossen werden sollen, die so­wohl zum Anstieg des Aktienkurses als auch zur Erhöhung der Marktkapitali­sierung führen. Anderenfalls hätte nämlich das Argument auf Seite 11 der Be­rufungsbegründung lauten müssen, die Verfügungsklägerin sei wegen der Änderung des Regelwerks gezwungen, in der kommenden Hauptversamm­lung Kapitalmaßnahmen beschließen zu lassen. Auch die Ausführungen auf Seite 5 der Antragsschrift konnten nur so verstan­den werden, dass die Verfügungsklägerin ohnehin Kapital- „und sonstige Maßnahmen" ergreifen möchte, um eine Erhöhung des Kurses und der Markt­kapitalisierung zu erreichen, dass aber diese Maßnahmen durch die ange­kündigte Änderung des Regelwerks erschwert würden, weil schon die Ankün­digung zu einem Imageverlust ihrer Aktie geführt habe. Es ging der Verfü­gungsklägerin in erster Instanz auch nur um die Einräumung einer angemes­senen Übergangsfrist, nicht aber um befürchtete Nachteile, die schon durch die Notwendigkeit von Gegenmaßnahmen eintreten könnten.

Falls die Verfügungsklägerin mit ihren Ausführungen in der mündlichen Ver­handlung behaupten will, dass der Hauptversammlung die entsprechenden Maßnahmen nur dann vorgeschlagen werden sollen, wenn sie mit ihrer Beru­fung nicht obsiegt, fehlt es hierfür jedenfalls an einer Glaubhaftmachung. Denn diese Behauptung ist nicht nur neu, sondern auch bestritten. Die Verfü­gungsbeklagte hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, weder die Höhe des derzeitigen Aktienkurses noch die von der Verfügungsklägerin für notwendig erachteten Maßnahmen beruhten auf der Änderung des Regel­werks, sondern auf anderen Faktoren. Sie bestreitet damit die Kausalität der Änderung des Regelwerks für die Notwendigkeit der beabsichtigten Kapital­maßnahmen und damit auch für die Entstehung der Kosten und der mögli­chen Nachteile für die Aktionäre, die aufgrund dieser Maßnahmen eintreten könnten. Ob in den von der Verfügungsklägerin angedeuteten Nachteilen ein ausrei­chender Verfügungsgrund läge, wenn man die beiderseits drohenden Gefahren beim Erlass oder der Ablehnung der einstweiligen Verfügung gegeneinan­der abwägen würde, bedarf danach keiner weiteren Erörterung.

3. Ein Verfügungsgrund ergibt sich auch nicht daraus, dass sich nach der Be­hauptung der Verfügungsklägerin bereits die Ankündigung der Änderung des Regelwerks ungünstig auf den Kurs ihrer Aktien ausgewirkt haben soll, was befürchten lasse, dass sich diese Entwicklung fortsetze und schon dadurch ein Schaden eintrete.

Soweit die Verfügungsklägerin einen Kursrückgang überhaupt konkret darge­legt hat, bestehen erhebliche Zweifel, ob die Ankündigung der Regelwerksän­derung in der Presseerklärung der Verfügungsbeklagten vom 20.07.2001 für die Kursentwicklung ursächlich war. Zwar ist aus der mit Schriftsatz vom 07.08.2001 vorgelegten Darstellung der Kursentwicklung (Anlage eV 8) ein deutlicher Kursrückgang in der zweiten Juli-Hälfte 2001 zu ersehen. Aber die Verfügungsbeklagte hat zu Recht darauf hingewiesen, dass dieser Rückgang ebenso gut durch die ungünstigen Geschäftszahlen der Verfügungsklägerin für das erste Halbjahr 2001 verursacht worden sein könne; denn in dem Halbjahresbericht per 30.06.2001 teilte die Verfügungsklägerin mit, dass ent­gegen früherer Annahmen für das Gesamtjahr 2001 erneut mit einem Fehlbe­trag gerechnet werden müsse, und zwar in Höhe von 3,7 Millionen DM (Anla­ge 3 zur Antragserwiderung der Verfügungsbeklagten). Zwar ist dieser Bericht erst am 31.07.2001 veröffentlicht worden, aber es kommt häufig vor, dass die Anleger bereits vor der offiziellen Bekanntgabe auf durchgesickerte Ge­schäftszahlen reagieren. Die von der Verfügungsbeklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erneut bestrittene Kausalität zwischen der Änderung des Regelwerks und der Kursentwicklung kann die Verfügungsklägerin auch nicht durch die ei­desstattliche Versicherung des Herrn vom 25.07.2001 glaubhaft machen, die sie als Anlage eV 4 mit der Antragsschrift vorgelegt hat. Die eidesstattliche Versicherung enthält zur Ursächlichkeit der angekündigten Regelwerksände­rung für die Kursentwicklung am Neuen Markt nur abstrakte Überlegungen des Verfassers, ohne andere Einflüsse überhaupt zu erwähnen.

Schon aus der damaligen Sicht war die angebliche Erwartung panikartiger Verkäufe nur eine denkbare Möglichkeit, die ohne weiteres von anderen Fak­toren überlagert werden konnte. Darüber hinaus haben sich die düsteren Prognosen in den Folgemonaten bis zur mündlichen Verhandlung vom 11.12.2001 nicht verwirklicht. Jedenfalls trägt die Verfügungsklägerin insoweit keine konkreten Zahlen vor, die ihre Behauptung und die Hypothesen des Herrn stützen könnten. Zwar ist der Kurs der Aktien der Verfügungsklägerin zwischenzeitlich bis auf 1,26 Euro gefallen (Angabe des Tiefstkurses in dem täglichen Börsenteil der FAZ), aber das war keine Folge der Änderung des Regelwerks. Diese Ent­wicklung haben nach den Terroranschlägen in den USA die meisten Aktien durchgemacht, auch solche, die gar nicht im Neuen Markt gehandelt werden. InzwiAlle Seiten meiner Homepage sind verzogen nach ... schen hat sich der Kurs der Aktie der Verfügungsklägerin kräftig erholt. Am Tage der mündlichen Verhandlung betrug er bei Handelsschluss 2,05 Eu­ro. Auch das entspricht der Entwicklung am gesamten Aktienmarkt. Was das Segment Neuer Markt betrifft, liegt die Kursentwicklung bei der Verfügungs­klägerin ebenfalls im allgemeinen Trend. Das lässt sich den Indizes Nemax-All-Share und Nemax 50 entnehmen. Sie waren beide vorübergehend bis un­ter 700 Punkte gefallen und standen am Tag der mündlichen Verhandlung wieder auf über 1200 Punkten. Das alles zeigt, dass die von der Verfügungsklägerin befürchtete Folge der Änderung des Regelwerks nicht eingetreten ist. Es gibt keine konkreten An­haltspunkte dafür, dass sich dies in Zukunft ändern wird. Auch soweit die Verfügungsklägerin die Hauptsache einseitig für erledigt erklärt hat, war der sinngemäße Antrag auf Feststellung der Erledigung zurückzuweisen, da er unbegründet ist.

1. Ob der ursprüngliche Antrag, mit dem die Verfügungsklägerin der Verfü­gungsbeklagten generell die geplante Änderung des Regelwerks untersagen lassen wollte, unzulässig war, weil es im deutschen Zivilprozessrecht keine Popularklage gibt, wie das Landgericht gemeint hat, mag dahinstehen. Denn jedenfalls hat auch in der Zeit bis zur Erledigungserklärung ein Verfügungs­grund gefehlt, wie sich aus den Ausführungen oben zu Ziffer II ergibt. 2. Was den erstinstanzlichen Antrag betrifft, der Verfügungsbeklagten auch die Veröffentlichung der Änderung zu untersagen, hat ebenfalls kein Verfügungs­grund bestanden. Die Verfügungsklägerin hat nicht dargelegt, inwiefern von einer förmlichen Bekanntmachung des neuen Ausschlussgrundes nachteilige Auswirkungen zu erwarten gewesen sein sollen, nachdem die geplante Ände­rung ohnehin schon durch die Presseerklärung der Verfügungsbeklagten vom * 20.07.2001 bekannt geworden war.

In ihrer Berufungsbegründung hat die Verfügungsklägerin die vermeintliche Erledigung dieses Antrags damit begründet, dass die Regelwerksänderung zum 01.10.2001 in Kraft getreten sei und hat hinzugefügt, im Übrigen wäre Erledigung auch schon wegen der umfangreichen Presseberichterstattung eingetreten. Der Informationswert dieser Berichterstattung war aber für inte­ressierte Investoren nicht größer als der Wert der Informationen, die sie sich schon aufgrund der Presseerklärung vom 20.07.2001 beschaffen konnten.

Selbst wenn man unterstellt, dass die Inkraftsetzung der neuen Regelung eine Auswirkung auf die Kurse potentiell gefährdeter Unternehmen gehabt habe, weil möglicherweise bis zu diesem Zeitpunkt noch Zweifel bestanden, ob die geplante Änderung tatsächlich umgesetzt wird, hat die Bekanntmachung als solche für die Kursentwicklung keine Rolle gespielt. Denn das Entscheidende war die Inkraftsetzung und nicht deren Bekanntmachung. Keinem Anleger, der sich für die Unternehmen am Neuen Markt interessiert, wäre die Inkraftset­zung verborgen geblieben, auch wenn sie nicht öffentlich bekannt gemacht worden wäre. Von der Bekanntgabe als solcher ging daher keine Gefahr für die Verfügungsklägerin aus. und dies war schon bei Einreichung des jetzt für erledigt erklärten Antrags erkennbar Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Ein Ausspruch über die Vollstreckbarkeit war nicht erforderlich, weil die Entschei­dung sofort rechtskräftig ist (§ 545 Abs. 2 Satz 1 ZPO a. F.).



Vergl. die Entscheidung des OLG Frankfurt 5 U 278/01 v. 2002-04-09

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